07. Juli, 2025

Unternehmen

Milliardendeal mit Bristol Myers: BioNTech greift in der Onkologie an

Mit 3,5 Milliarden Dollar und einem vielversprechenden Antikörper richtet sich der Mainzer Biotechkonzern strategisch neu aus. Die Covid-Zeit ist Geschichte – jetzt geht es um die Zukunft der Krebsmedizin.

Milliardendeal mit Bristol Myers: BioNTech greift in der Onkologie an
Mit dem 3,5-Milliarden-Dollar-Deal vollzieht BioNTech einen Kurswechsel hin zur Onkologie – doch nach dem Impfstoffboom bleibt die zentrale Frage: Kann das Unternehmen auch abseits von COVID wirtschaftlich dauerhaft überzeugen?

Raus aus dem Schatten des Impfstoffs

Für viele steht BioNTech noch immer für den Covid-Impfstoff – ein Weltmarkterfolg, aber eben auch ein Produkt der Vergangenheit. Jetzt schaltet der Mainzer Konzern um.

Mit einer milliardenschweren Allianz mit dem US-Pharmariesen Bristol Myers Squibb (BMS) will BioNTech endgültig zeigen, wofür das Unternehmen eigentlich gegründet wurde: Für die Onkologie.

Im Zentrum der Partnerschaft steht der Antikörper BNT327, ein Wirkstoff mit hohem Potenzial in der Krebstherapie. Die Bedingungen des Deals sind ambitioniert – und ein klares Signal: BioNTech will nicht mehr nur Innovator sein, sondern internationaler Schwergewichtspartner im Kampf gegen Krebs.

BNT327: Hoffnungsträger mit Doppelfunktion

Der Antikörper BNT327 ist kein klassischer Blockbuster-Kandidat – sondern ein Molekül mit doppeltem Angriffspunkt. Es hemmt sowohl PD-L1, ein Protein, das Tumore zur Tarnung nutzen, als auch VEGF-A, das die Gefäßneubildung im Tumor fördert.

In der Theorie entsteht daraus eine starke Synergie: Der Tumor verliert seine Tarnkappe – und gleichzeitig seine Versorgung.

In der Praxis läuft bereits eine klinische Prüfung an über 1.000 Patienten. Besonders im Fokus: Lungenkrebs und triple-negativer Brustkrebs, beides Indikationen mit großem medizinischem Bedarf und kommerziellem Potenzial. Eine Phase-3-Studie bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) läuft. Eine weitere bei triple-negativem Brustkrebs ist für Ende 2025 angekündigt.

BioNTech und Bristol Myers Squibb teilen sich Entwicklungskosten und Gewinne für BNT327 – ein Modell mit hohem Vertrauen in das Erfolgspotenzial, aber auch hoher Abhängigkeit von den Studienergebnissen der nächsten drei Jahre.

Konditionen mit Signalwirkung

Die Partnerschaft hat es in sich: BioNTech erhält sofort 1,5 Milliarden US-Dollar, dazu bis zu zwei Milliarden an sogenannten „Jubiläumszahlungen“, sofern die Zusammenarbeit mindestens bis 2028 andauert.

Entwicklungskosten, Gewinne und Verluste teilen sich die Partner 50:50 – ein ungewöhnlich gleichberechtigter Rahmen für eine Allianz dieser Größenordnung.

Für BioNTech ist das mehr als nur ein Kapitalzuschuss. Es ist die Rückendeckung durch ein erfahrenes Unternehmen mit globaler Infrastruktur. Für BMS wiederum ist es der Zugriff auf eine Pipeline, die deutlich weiter ist, als es viele Außenstehende bislang vermutet haben.

Auftritt beim ASCO: Daten, die wirken

Spätestens bei der ASCO-Konferenz im Juni wurde klar, dass BNT327 kein Papiertiger ist. In Kombination mit Chemotherapie zeigte der Antikörper in der Erstlinienbehandlung von Mesotheliom – einer schwer behandelbaren Tumorart – positive Effekte bei Wirksamkeit und Sicherheit. Eine finale Zulassungsstudie in diesem Indikationsgebiet gilt als wahrscheinlich.

Zudem laufen Studien zu weiteren Tumorarten. Das breite Anwendungsfeld macht BNT327 für Partner wie Investoren gleichermaßen attraktiv – es geht um mehr als nur ein einzelnes Produkt. Es geht um Plattformpotenzial.

Nebenprojekt Prostatakrebs – mit Fragezeichen

Ein zweiter Kandidat aus der Pipeline, BNT324, wird derzeit bei kastrationsresistentem Prostatakrebs untersucht. Die bisherigen Ergebnisse: Eine objektive Ansprechrate von 31 Prozent – für eine frühe klinische Studie ein ordentlicher Wert.

Doch ob BioNTech hier weitermacht, ist offen. Das Unternehmen prüft parallel andere Einsatzgebiete, unter anderem Lungenkarzinome. Die Strategie: Ressourcen fokussieren, statt sich zu verzetteln. Man wolle „substanziell investieren, wo die Erfolgswahrscheinlichkeit hoch ist“, heißt es aus Unternehmenskreisen.

Pipeline unter Strom

Insgesamt arbeitet BioNTech derzeit an über 20 Wirkstoffprogrammen in Phase 2 oder 3. Zwei Säulen stehen dabei im Zentrum: mRNA-basierte Krebstherapien – der ursprüngliche Forschungsschwerpunkt – und Antikörper der nächsten Generation. In beiden Bereichen will das Unternehmen nicht nur mitspielen, sondern Impulse setzen.

Der Schulterschluss mit Bristol Myers Squibb macht deutlich: Die Strategie ist nicht mehr rein forschungsgetrieben. Es geht jetzt auch um Skalierung, Marktanteile, globale Reichweite. Die Mainzer wollen nicht länger warten, bis Partner ihre Produkte lizenzieren. Sie wollen selbst mitentscheiden – über Vermarktung, Zulassung, Preisgestaltung.

Ein Befreiungsschlag zur rechten Zeit

Für BioNTech kommt der Deal zur rechten Zeit. Die Umsätze aus dem Covid-Impfstoffgeschäft sind rückläufig, die öffentliche Wahrnehmung stark davon geprägt. Mit dem BMS-Abkommen gelingt dem Unternehmen nicht nur eine wirtschaftliche Diversifikation – sondern auch ein narrativer Neuanfang.

Es ist die strategische Wende hin zu nachhaltigem Wachstum. Ob daraus ein neuer europäischer Champion der Onkologie entsteht, bleibt offen. Klar ist: BioNTech hat geliefert – nicht nur Moleküle, sondern ein Plan. Der Markt hat das registriert. Die Aktie legte nach Bekanntgabe des Deals zu, wenn auch moderat. Analysten sehen noch Spielraum.

Das könnte Sie auch interessieren:

AirAsia setzt auf Reichweite – und Risiko
Mit einer Milliardenbestellung für den Airbus A321XLR will der Billigflieger sein Streckennetz radikal ausweiten. Doch die Entscheidung für den kleinsten Langstreckenjet wirft strategische Fragen auf.