Sicherheit hat Konjunktur
Keine Branche profitiert so direkt von der neuen geopolitischen Lage wie die Rüstungsindustrie – und Saab steht im Zentrum der europäischen Aufrüstungswelle.
Im ersten Halbjahr 2025 konnte das schwedische Unternehmen seinen Umsatz um satte 22 % steigern, der operative Gewinn legte um 50 % auf rund 176 Millionen Euro zu. Nun hebt Saab die Prognose für das Gesamtjahr an: Statt 12 bis 16 % erwartet der Konzern nun ein Umsatzwachstum von 16 bis 20 %. Auch die operative Marge dürfte weiter zulegen.
Saab, bekannt für das Mehrzweckkampfflugzeug Gripen, für Überwachungssysteme, Boden-Luft-Raketen und U-Boote, gehört zu den klaren Gewinnern der europäischen Aufrüstung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.
Länder wie Polen, Finnland und Schweden investieren Milliarden – nicht nur in NATO-kompatible Strukturen, sondern auch in autonome Fähigkeiten. Gerade mittelgroße europäische Player suchen Alternativen zu US-Lieferanten – und Saab bietet beides: NATO-Fähigkeit und europäische Souveränität.
Bestellbücher dicker als je zuvor
Der Boom lässt sich in den Auftragsbüchern ablesen: Bereits 2023 hatte Saab einen Rekordwert bei Neuaufträgen gemeldet, mit einem Orderbestand von über 20 Milliarden Euro.
2025 wird dieser voraussichtlich nochmals steigen – getrieben vom schwedischen NATO-Beitritt, neuen Verteidigungsbudgets in der EU und konkreten Verträgen für das Gripen E-Programm.
Besonders auffällig: Die Nachfrage kommt nicht nur von Regierungen. Saab profitiert auch vom Ausbau sicherheitsrelevanter Infrastrukturen bei Energieversorgern, Bahnbetreibern und Häfen.
Denn seit den Sabotageakten gegen Nord Stream, der Lahmlegung baltischer Kommunikationskabel und Drohnenangriffen auf LNG-Terminals ist klar: Der Krieg hat neue Dimensionen erreicht – und Saab liefert die Sensorik.
Gewinnbringer: Intelligenz statt Kaliber
Interessant: Der Großteil des Wachstums kommt nicht aus dem klassischen Waffengeschäft, sondern aus Bereichen wie Electronic Warfare, Cyberabwehr und integrierten Führungssystemen.
Saab ist damit mehr als ein Flugzeugbauer – es positioniert sich als IT-Sicherheitskonzern mit militärischem Kern. Das wird vom Kapitalmarkt goutiert: Die Aktie hat sich in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt und notiert aktuell nahe Allzeithoch.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Nicht wenige Analysten fragen sich, wie nachhaltig der Boom ist. „Rüstung ist zyklisch – und politisch“, warnt ein Fondsmanager, der anonym bleiben möchte.
„Solange die Bedrohungslage anhält, fließen Milliarden. Aber sobald Regierungen umschwenken, wird aus Rückenwind Gegenwind.“
Politische Risiken und ethische Fragen
Hinzu kommt: Saab verkauft nicht nur an Demokratien. Auch Länder mit zweifelhaften Menschenrechtsbilanzen gehören zum Kundenkreis. Immer wieder gab es Kritik an Exporten nach Saudi-Arabien, Ägypten oder in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Der Konzern betont zwar, man halte sich an alle EU-Exportregeln – doch die Maßstäbe sind dehnbar, wie Beobachter betonen.
Gleichzeitig gewinnt in Europa die Debatte an Fahrt, wie viel Rüstung „gut“ ist. Gerade in Deutschland gibt es wachsenden Widerstand gegen Waffenexporte – auch innerhalb der Ampelkoalition. Der schwedische Konzern ist davon bislang nicht betroffen, könnte aber mittelbar durch Regulierungsinitiativen eingeschränkt werden.
Saabs Dilemma: Wachstum um jeden Preis?
Saab steht vor einem strategischen Scheideweg: Das Unternehmen kann weiter aggressiv wachsen, neue Märkte erschließen und technologische Vorreiterrolle einnehmen – riskiert dabei aber eine noch stärkere politische und ethische Debatte über seine Rolle in der neuen Sicherheitsarchitektur Europas.
Faktisch ist das Unternehmen heute bereits mehr als ein Lieferant – es ist Partner im sicherheitspolitischen Umbau Europas. Doch wie viel Verantwortung trägt ein Konzern, der von der Angst lebt?
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