Während Microsoft auf seiner Entwicklerkonferenz "Build" vergangene Woche eigentlich nur über die Zukunft der Künstlichen Intelligenz sprechen wollte, geriet ein anderes Thema unbeabsichtigt in den Fokus: Die Partnerschaft mit Walmart.
Ein interner Teams-Chat, der während der Konferenz über einen Livestream sichtbar wurde, offenbarte, dass Walmart offenbar "bereit ist zu rocken" – mit Microsofts neuen KI-Tools Entra Web und AI Gateway.
Was zunächst wie ein PR-Ausreißer wirkte, entpuppte sich nun als Auftakt für einen handfesten Leak: Wie aus internen Dokumenten hervorgeht, hat Walmart zwischen Juni 2023 und Mai 2024 rund 580 Millionen US-Dollar für Microsofts Azure-Cloud ausgegeben.
Das zeigt ein internes Papier, das dem Wirtschaftsmagazin Business Insider zugespielt wurde.
Einzelhandel auf Wolke Sieben
Damit gehört der Einzelhandelsriese offenbar zu den größten Azure-Kunden weltweit. Allein im November 2023, mitten in der Hochsaison des Weihnachtsgeschäfts, stiegen die Ausgaben auf fast 62 Millionen Dollar.
Diese Zahlen erlauben einen seltenen Blick hinter die Kulissen des streng abgeschirmten Cloud-Geschäfts von Microsoft.
Walmart establishes strategic partnership with @Microsoft to further accelerate digital innovation in retail https://t.co/g3ZIWjLApL pic.twitter.com/jyJqrK6bt8
— Walmart Inc. (@WalmartInc) July 17, 2018
Walmart, das seit Jahren eine strategische Partnerschaft mit Microsoft unterhält, nutzt Azure offenbar nicht nur zur Lagerverwaltung oder für seine Website-Infrastruktur, sondern zunehmend auch für KI-Anwendungen.
Schon Anfang 2024 hatte Microsoft angekündigt, dass Walmart generative KI über Azure OpenAI einsetzt, etwa für eine neue Suchfunktion auf seiner Plattform.
Rivalität mit Amazon im digitalen Schatten
Brisant ist die Partnerschaft auch deshalb, weil Walmart und Amazon im Einzelhandel direkte Rivalen sind – und Amazon selbst mit AWS den dominierenden Cloudanbieter stellt.
Dass Walmart ausgerechnet zu Microsofts Cloud greift, ist also nicht nur technisch, sondern auch wettbewerbsstrategisch ein deutliches Signal.
Microsoft wiederum profitiert doppelt: Zum einen durch das riesige Umsatzvolumen, zum anderen durch das Prestige, einen der größten US-Händler als Vorzeige-Kunden präsentieren zu können.
Offen ist indes, welche Azure-Tarife Walmart nutzt: Microsoft unterscheidet in seiner Bilanzierung zwischen ACR mit und ohne Vorabbindung (MACC) oder Partnerunterstützung (PIN).
Protest, PR-Panne, Milliardenkunden
Dass die Informationen überhaupt öffentlich wurden, war Microsoft nicht recht: Die zufällige Enthüllung geschah während einer präsentation zur KI-Sicherheit, die von Protesten gegen Microsofts Geschäfte mit dem israelischen Militär unterbrochen wurde. Die aufgeworfene Teams-Nachricht wurde versehentlich im Livestream gezeigt.
Microsoft und Walmart kommentierten die Leaks bislang nicht. Doch intern dürfte der Vorfall für Nervosität sorgen: Der Konzern hält seine Cloud-Zahlen traditionell unter Verschluss. Analysten müssen sich üblicherweise mit groben Wachstumsraten begnügen.
Der versehentliche Leak gibt nun einen selten detaillierten Einblick – und zeigt, wie stark Microsofts Geschäftsmodell inzwischen von Großkunden wie Walmart abhängt.
Ein Blick auf die Milliarden-Cloud
Walmart ist nicht allein: Auch andere Großkunden wie TikTok oder das LegalTech-Startup Harvey geben über Jahre dreistellige Millionenbeträge für Azure aus. Das Cloud-Geschäft ist für Microsoft längst die größte Cash-Cow – und wird mit jeder neuen KI-Anwendung noch wichtiger.
Doch je größer die Kunden und je sensibler die Partnerschaften, desto höher auch das Risiko: für die Privatsphäre, für die Compliance – und für die PR.
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