Die Bühne: ein Hotel, ein Vizepräsident, ein Stimmungstest
Washington, Mittwochmorgen, Willard Hotel. Kein Glanz, kein roter Teppich – aber gespannte Erwartung. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat geladen, europäische und amerikanische Entscheidungsträger sitzen Schulter an Schulter.
Und dann betritt er den Raum: J.D. Vance, Trumps Vize, bis zuletzt einer der lautesten Kritiker Europas. In München hatte er noch das Ende der Meinungsfreiheit beklagt und Europa schroff die Hilfe verweigert. Doch heute ist etwas anders.
„Im selben Team“ – Vance überrascht mit neuen Tönen
„Europa und die USA sind im selben Team“, sagt Vance gleich zu Beginn. Und dann: „Es ist lächerlich zu denken, man könne uns auseinanderdividieren.“ Kein Angriff, keine Provokation.
Stattdessen leise Selbstkritik: Man habe sich zu sehr auf die Sicherheitsarchitektur der letzten 20 Jahre verlassen – „auf beiden Seiten des Atlantiks“. Auch von Lastenteilung ist die Rede, aber vorsichtig, fast schon kleinlaut.
Für viele im Raum ist klar: Das ist ein Kurswechsel. Oder zumindest der Versuch, so zu tun.

Merz hört genau hin
Friedrich Merz dürfte jedes Wort verfolgt haben. Einen Tag später, am Donnerstag, steht sein erstes Telefonat mit Donald Trump an. Sie kennen sich nicht. Für den neuen Kanzler ist es die einzige Chance, einen Draht aufzubauen – bevor sich die Fronten weiter verhärten.
Die transatlantische Stimmung ist angespannt, das Verhältnis zu Trump traditionell kompliziert. Und doch: Ausgerechnet Vance’ Rede gibt Merz eine bessere Ausgangslage als erwartet.
Ischinger erkennt eine Chance
„Der heutige Tag war eine Einladung an Europa“, sagt Wolfgang Ischinger, ehemaliger Diplomat und Gastgeber der Konferenz. Für ihn ist klar: Das ist mehr als Rhetorik. Vance habe den Ton geändert – und Merz nun die Möglichkeit, unbelastet eine neue Beziehung zu Trump aufzubauen.
Und auch beim Thema Ukraine schwenkt Vance um. Erstmals kritisiert er offen die russische Verhandlungsstrategie. „Die Russen fordern zu viel“, sagt er. Bisher war es stets Kiew, das als zu hartnäckig dargestellt wurde. Jetzt, plötzlich, sieht Washington auch Moskau kritisch.

Trump sagt wenig – aber lässt durchblicken
Trump selbst? Hält sich wie immer bedeckt. Nach einem Treffen mit Selenskyj postet er auf Truth Social, ob Putin ihn vielleicht „nur hinhalte“. Kein klares Statement – aber für Trump-Verhältnisse ein bemerkenswerter Ton.
In Washington spricht man inzwischen davon, dass Trumps Geduld mit Moskau schwindet. Die Ukraine hat eine 30-tägige Waffenruhe angeboten – Vance nennt das „bemerkenswert“ und „würdig der Anerkennung“.
Ein Gespräch, das Europa verändern könnte
Für Merz ist das der Moment, den Kurs zu setzen. Er braucht eine konstruktive Beziehung zu Trump – aber ohne Europa zu verkaufen. Er muss Stärke zeigen, ohne zu belehren. Vertrauen aufbauen, ohne unterwürfig zu wirken. Keine leichte Aufgabe.
Doch es gibt Grund zur Hoffnung. Trump liebt Klartext – und respektiert Selbstbewusstsein. Wenn Merz das Gespräch nutzt, um Trump das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden, ohne sich anzubiedern, könnte daraus tatsächlich etwas werden.
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