06. Mai, 2025

Politik

Merz fällt – und schreibt Geschichte

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik scheitert ein Kanzlerkandidat mit Parlamentsmehrheit im ersten Wahlgang. Was das über seine Führung – und über die Union – verrät.

Merz fällt – und schreibt Geschichte
Friedrich Merz verpasst mit 310 Stimmen die Kanzlermehrheit im ersten Wahlgang – bei 328 möglichen Koalitionsstimmen ein beispielloser Bruch innerhalb des Regierungslagers.

Ein politischer Dammbruch

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang durchgefallen – bis jetzt. Friedrich Merz, CDU-Parteichef und designierter Regierungschef einer Mehrheit aus CDU/CSU und SPD, verpasste die absolute Mehrheit um sechs Stimmen.

Der historische Makel trifft nicht nur ihn, sondern die gesamte Koalition. Denn rechnerisch hätte die Wahl gelingen müssen.

Seit Gründung der Bundesrepublik war es Konsens: Kanzlerwahlen sind Formsache – wenn die Mehrheit steht. Bei Adenauer war es 1949 mit einem hauchdünnen Vorsprung gerade noch gut gegangen. Doch bei Merz reichte selbst die rechnerisch komfortablere Ausgangslage nicht.

Adenauers Zitterpartie war kein Präzedenzfall

Ein Rückblick in die junge Republik zeigt: Selbst bei Adenauer war es eng. Die erste Kanzlerwahl 1949 endete mit 202 Stimmen – genau der damaligen Mindestanzahl.

Seit 1949 wurden alle Kanzler im ersten Wahlgang gewählt – Merz ist der erste Kandidat mit Mehrheit im Rücken, der scheitert. Eine historische Premiere mit politischem Flurschaden.

Es ist überliefert, dass sogar die Gültigkeit einiger Stimmen diskutiert wurde. Doch am Ende war es eine Mehrheit. Ein Ausrutscher – aber kein Scheitern.

Was Friedrich Merz heute widerfuhr, ist also mehr als ein knappes Ergebnis. Es ist ein Signal. Es zeigt, dass selbst mit einer rechnerischen Mehrheit keine Kanzlerwahl garantiert ist, wenn das politische Fundament bröckelt.

Auch Brandt und Schmidt mussten zittern – aber sie siegten

Willy Brandt kam 1969 mit nur zwei Stimmen über die Hürde. Auch Helmut Schmidt hatte es 1976 mit einer Stimme Mehrheit knapp geschafft. Doch selbst in Zeiten instabiler Koalitionen blieb es bei einem Erfolg im ersten Wahlgang – ohne öffentliche Demütigung.

Friedrich Merz hat dieses Muster durchbrochen. Das unterscheidet sein Scheitern von allen historischen Beispielen. Es ist kein enger Wahlausgang. Es ist ein Vertrauensbruch – aus der Mitte der eigenen Koalition.

Was bedeutet das für die Stabilität?

Die Stimmen, die Friedrich Merz fehlten, sind mehr als nur fehlende Zahlen. Sie sind ein Ausdruck von innerer Zerreißprobe. Schon heute wird in der CDU darüber diskutiert, ob der Parteichef inhaltlich oder persönlich an Zustimmung verloren hat. Die geheime Abstimmung schützt die Namen – aber nicht die Wirkung.

Historisch betrachtet hatten viele Kanzler keine perfekte Mehrheit bei ihrer Wahl. Doch sie hatten den Moment für sich. Merz hat ihn verloren – ohne dass jemand anderes dafür verantwortlich gemacht werden kann.

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