22. Mai, 2025

Unternehmen

Lockheed drängt nach Europa – mit Rheinmetall im Schlepptau

Der US-Rüstungskonzern reagiert auf Brüssels Pläne zur strategischen Autonomie. Doch Lockheeds Europa-Offensive ist mehr als nur ein Rettungsversuch.

Lockheed drängt nach Europa – mit Rheinmetall im Schlepptau
Mehrere NATO-Staaten, darunter Deutschland, beschaffen Lockheeds Tarnkappenjets. Die EU will dennoch mehr europäische Wertschöpfung – Lockheed reagiert mit Standortverlagerungen.

Europas neue Verteidigungslinie

Lockheed Martin steht unter Druck. Die Europäische Union will ihre Rüstungsindustrie unabhängiger machen, Milliarden sollen in europäische Produktionsstätten fließen.

Amerikanische Hersteller? Möglichst außen vor. Für Lockheed, den größten Waffenbauer der Welt, ist das eine schlechte Nachricht – aber kein Grund zum Rückzug. Im Gegenteil: Der Konzern plant den Gegenzug. Und der beginnt in Deutschland.

Quelle: Eulerpool

„Mehr Lieferketten, mehr Fertigung, mehr Europa“

Raymond Piselli, bei Lockheed für das internationale Geschäft zuständig, bringt es auf den Punkt:

„Wir wollen mehr Produktion und mehr Lieferketten in Europa aufbauen.“

Ein Satz, der nüchtern klingt, aber weitreichende Folgen hat. Denn was Lockheed da plant, ist keine kleine Geste der Partnerschaft – es ist ein strategischer Umbau.

Der Konzern will künftig stärker in Europas Verteidigungsindustrie mitmischen. Nicht nur als Lieferant, sondern als Teil des Systems. Das Ziel: sich dauerhaft im europäischen Markt zu verankern – bevor Brüssel die Tür endgültig zuschlägt.

Das Problem: Brüssel meint es ernst

Was bisher wie ein politisches Lippenbekenntnis klang, nimmt nun konkrete Formen an. Die EU-Kommission forciert die Reindustrialisierung der Rüstungsproduktion.

Wer von der neuen Aufrüstung profitieren will, soll im Idealfall auch in Europa produzieren. Subventionen gibt’s nur für Unternehmen, die Arbeitsplätze und Technologie vor Ort schaffen.

Für US-Konzerne wie Lockheed, Northrop Grumman oder Raytheon (heute RTX) ist das ein Risiko. Analysten warnen längst, dass Aufträge aus Europa künftig seltener werden könnten. Also versucht Lockheed, Teil der Lösung zu werden – statt zum Problem zu gehören.

Mit der „Europäisierung“ ihrer Produktion sichern sich US-Konzerne weiter Einfluss auf dem Kontinent – trotz politischer Bestrebungen, die Abhängigkeit zu verringern.

Lockheed + Rheinmetall = Raketen aus Deutschland

Ein zentraler Baustein dieser Strategie: Rheinmetall. Der Düsseldorfer DAX-Konzern ist längst Europas Shootingstar der Rüstungsbranche – und nun auch Lockheeds wichtigster Türöffner. Gemeinsam wollen beide Firmen ein neues Zentrum für die Raketen- und Flugkörperproduktion in Deutschland aufbauen.

Was früher undenkbar schien – US-Technologie auf deutschem Boden, mit deutscher Unterstützung – wird damit Realität. Für Rheinmetall eine Chance, in neue Technologien vorzustoßen. Für Lockheed der vielleicht letzte Weg, um nicht vom europäischen Aufrüstungsboom ausgeschlossen zu werden.

Geopolitisches Kalkül trifft wirtschaftliche Notwendigkeit

Natürlich geht es nicht nur um Marktanteile. Lockheed kämpft auch mit Engpässen in der heimischen Lieferkette.

Die Nachfrage ist da, aber es hapert an der Produktion. Europa bietet da nicht nur Absatz, sondern auch Lösungen. Gut ausgebildete Fachkräfte, politische Rückendeckung, klare Sicherheitslage – der Kontinent wird zum Produktionsstandort der Wahl.

Piselli spricht daher offen davon, dass Europa auch dem US-Geschäft helfe. Das ist ehrlich – und strategisch klug. Denn so entsteht der Eindruck, dass Lockheed nicht aus Not nach Europa geht, sondern aus Überzeugung. Tatsächlich ist es beides.

Europas Wunsch nach Autonomie – und die Realität

Brüssels Wunsch, die US-Abhängigkeit zu verringern, ist verständlich. Wer souverän sein will, braucht auch eigene Waffen. Doch ganz ohne Know-how und Technologie aus Übersee wird das nicht gehen. Das wissen auch die Strategen der EU-Kommission.

Deshalb ist Lockheeds Plan nicht naiv, sondern realistisch. Der Konzern bietet Europa an, was es will: lokale Produktion, Lieferketten vor Ort, Investitionen. Aber er bleibt dabei im Spiel – als Partner mit US-Wurzeln, eingebettet in Europas neues Rüstungsökosystem.

Der Deal hat einen Haken

Was auf den ersten Blick wie eine Win-Win-Situation aussieht, hat auch eine Schattenseite. Denn Europas Industrie gewinnt an Produktionskapazität – aber verliert womöglich an Kontrolle. Wenn Schlüsseltechnologien aus den USA kommen und die Steuerung in amerikanischer Hand bleibt, ist die viel beschworene Unabhängigkeit vielleicht nur Illusion.

Und dennoch: Für den Moment profitieren beide Seiten. Europa bekommt neue Werke, neue Arbeitsplätze, neue Dynamik. Lockheed bekommt Marktanteile, Nähe zum Kunden, Einfluss. Wer hier am Ende den größeren Hebel hat, wird sich zeigen.

Wer liefert, bleibt im Spiel

Lockheeds Europa-Offensive ist kein Rückzug, sondern ein geschicktes Vorrücken. Der Konzern passt sich den neuen Spielregeln an – und bleibt dadurch relevant. Die Strategie: Statt außen vor zu stehen, wird Lockheed Teil der europäischen Lösung. Mit deutschen Partnern, europäischen Produktionslinien – aber amerikanischer Handschrift.

Ob das reicht, um Brüssels Unabhängigkeitspläne zu entschärfen? Unklar. Aber Lockheed hat verstanden, worum es jetzt geht: Wer liefert, bleibt im Spiel.

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