Wer nach einem zwölfstündigen Beratungstag bei Deloitte noch Zeit und Nerven für den Bau des „Avengers Tower“ hat, darf sich freuen: Die Unternehmensberatung subventioniert den knapp 500 Euro teuren Lego-Bausatz jetzt offiziell.
Möglich macht es ein neues Benefit-Programm, das weltweit für Diskussionen sorgt – und alte Grundsatzfragen über Sinn und Unsinn von Mitarbeiteranreizen neu aufwirft.
1000 Dollar für Stressabbau – wofür auch immer
Deloitte-Mitarbeiter dürfen sich jährlich über ein frei verfügbares Budget von umgerechnet rund 1000 Dollar freuen.
Der Katalog an erstattungsfähigen Ausgaben ist dabei denkbar breit: Neben den bekannten Gesundheitsleistungen wie Fitnesskursen, Rückenschule oder Sehtests tauchen plötzlich auch Haushaltsgeräte, Spa-Behandlungen, ergonomische Kissen, mobile Ventilatoren und sogar Spielekonsolen auf. Und eben Legosets.
Die Begründung: Das Zusammenbauen von Lego-Figuren und Puzzles wirke stressmindernd, fördere die Konzentration und helfe, nach langen Arbeitsphasen mental abzuschalten.
Eine durchaus plausible Argumentation angesichts der notorisch langen Arbeitszeiten in der Beratungsbranche, in der 60- bis 80-Stunden-Wochen keine Seltenheit sind.

Wellness für den Kopf oder billige Kosmetik?
Doch das neue Programm polarisiert. Während Deloitte das flexible Incentive-Modell als Ausdruck von Wertschätzung und individueller Selbstbestimmung bewirbt, mehren sich kritische Stimmen, die den Vorstoß eher als Symbol für die Schieflage der Branche interpretieren.
In sozialen Netzwerken sprechen etliche Berater offen aus, was viele denken: Anstatt Lego-Bausteine zu subventionieren, sollten Beratungen lieber an den Ursachen des Stresses ansetzen – etwa durch realistischere Projektbudgets, mehr Personal oder schlichtweg bessere Vergütung.
Arbeitsrechtler sehen riskante Signalwirkung
Auch Experten sehen die neue Incentive-Kultur zwiespältig. „Solche Benefits verschleiern häufig strukturelle Probleme“, urteilt ein Arbeitsrechtler im Gespräch mit der InvestmentWeek.
„Wenn ein Unternehmen Belastungsgrenzen überschreitet, hilft keine Spielekonsole. Das eigentliche Problem bleibt bestehen.“
Zudem könnten derartige Programme eine gefährliche Erwartungshaltung erzeugen: Wer als Arbeitgeber auf immer ausgefallenere Benefits setzt, riskiert, die Belastbarkeit seiner Mitarbeiter als selbstverständlich zu betrachten – schließlich gebe es ja Kompensationen.
Incentives als Standortwettbewerb
Deloitte ist mit seinem Lego-Programm längst nicht allein. Weltweit liefern sich Großkonzerne einen regelrechten Wettlauf um immer exotischere Zusatzleistungen:
- Beim Outdoor-Spezialisten Patagonia dürfen Mitarbeiter während der Arbeitszeit surfen.
- Brewdog gewährt frischgebackenen Hundehaltern eine Woche Sonderurlaub („Pawternity Leave“).
- Die Paulaner-Brauerei bietet ein monatliches Bierkontingent für ihre Angestellten.
- Bei Uptalsboom dürfen Azubis auf Abenteuerurlaub fahren.
Was zunächst kreativ erscheint, ist für viele Beobachter vor allem Ausdruck eines verschärften Fachkräftemangels, bei dem Unternehmen verzweifelt um Aufmerksamkeit und Bewerber werben – nicht selten, um die reale Arbeitslast aufrechtzuerhalten.
Stressfaktor Beratung bleibt ungelöst
Gerade in der Beratungsbranche, in der Deloitte neben McKinsey, BCG und PwC zu den globalen Marktführern zählt, bleiben die Kernprobleme der Arbeitsbelastung indes bestehen.
Projektgeschäft, enge Deadlines und hohe Reisebereitschaft gehören nach wie vor zur DNA der Branche. Das Lego-Set wird daran wenig ändern.
Ein ehemaliger Deloitte-Manager bringt es auf den Punkt: „Die Kollegen bauen stundenlang am Millennium Falcon – aber eigentlich würden sie lieber Zeit mit ihren Familien verbringen.“
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