07. Juli, 2025

Unternehmen

Kupfer, Krise, Comeback – Wie Aurubis die grüne Wende recyceln will

Der Hamburger Konzern steckt tief im Umbau – und sieht im Kupferboom die historische Chance, Vergangenheit hinter sich zu lassen und weltweit eine neue Rolle zu spielen.

Kupfer, Krise, Comeback – Wie Aurubis die grüne Wende recyceln will
Die Nachfrage nach Kupfer steigt global – doch Aurubis kämpft mit sinkenden Raffinierlöhnen. Während China und Indien Schmelzkapazitäten massiv ausbauen, fehlt es weltweit an neuen Minen. Die Folge: schrumpfende Margen trotz glänzender Aussichten.

Neue Führung, altes Problem

In Hamburg fahren Gabelstapler über das Gelände, Arbeiter grüßen sich mit „Moin“ und rollen auf orangefarbenen Fahrrädern durchs Werk. Es wirkt ruhig – fast schon zu ruhig.

Denn was hier aussieht wie Alltag, ist in Wahrheit das Ergebnis einer langen Kette von Pannen, Unfällen und Skandalen. Der Hamburger Kupferkonzern Aurubis hatte zuletzt mehr mit sich selbst zu tun als mit der Zukunft.

Quelle: Eulerpool

Jetzt soll alles besser werden. Seit Herbst 2024 ist Toralf Haag neuer CEO. Er kennt das Unternehmen – war schon vor 20 Jahren Finanzchef. Damals, als Aurubis noch Norddeutsche Affinerie hieß, ging es deutlich ruhiger zu. Heute übernimmt er ein Unternehmen mit ramponiertem Ruf, aber enormem Potenzial.

Kupfer ist gefragt wie nie

Denn die Rahmenbedingungen könnten kaum besser sein. Der Bedarf an Kupfer steigt weltweit. Für die Energiewende, für die Digitalisierung, für Wärmepumpen, Windräder, Stromleitungen, Rechenzentren. Kupfer ist überall – und wird es noch viel mehr sein. Haag spricht von einer Verdoppelung der Nachfrage bis 2050.

Quelle: Eulerpool

Aurubis will davon profitieren. Schon jetzt verarbeitet der Konzern über eine Million Tonnen Kupfer pro Jahr. Ein guter Teil davon stammt aus recyceltem Material – 45 Prozent. Ziel: 50 Prozent. Die Vision: eine Schlüsselrolle im Zeitalter des Rohstoffmangels.

Skandale, Diebstähle, Totenstille

Doch bevor Aurubis von der Kupferhausse profitieren kann, muss es aufräumen. Intern. Denn der Weg in die Schlagzeilen führte zuletzt selten über Geschäftserfolge.

Stattdessen: Deutschlands wohl größter Metallraub. Beteiligte: eigene Mitarbeiter. Schaden: 169 Millionen Euro. Hinzu kamen tragische Arbeitsunfälle, mehrere Todesfälle im Werk, Ermittlungen, Vorstandsrücktritte, Machtkämpfe im Aufsichtsrat.

Das Vertrauen? Weg.

Haag will genau das ändern. Mehr Überwachung, strengere Kontrollen, neue Sicherheitskultur. Auf dem Gelände überwachen heute doppelt so viele Kameras wie noch vor zwei Jahren.

Trotz Kameras und Zugangskontrollen wurde Aurubis zwischen 2020 und 2023 Opfer eines der größten Metall-Diebstähle der deutschen Industriegeschichte. Der interne Schaden: rund 169 Millionen Euro – mutmaßlich durch eigene Mitarbeiter.

Drohnen fliegen über den Standort, es gibt Sicherheitsschulungen – nicht nur für Mitarbeiter, sondern für ganze Familien. Auch die Tonlage hat sich geändert. Haag tritt ruhig auf, verbindlich, kontrolliert. Er weiß, dass Aurubis nicht noch eine Krise übersteht.

Die USA als Neustart

Ein Hoffnungsschimmer: das neue Recyclingwerk im US-Bundesstaat Virginia. 750 Millionen Euro investiert Aurubis in den Standort Richmond. Ab Herbst 2025 soll dort Kupfer aus Schrott aufbereitet werden. Die USA gelten als Wachstumsmarkt – auch, weil sie viel verbrauchen, aber wenig recyceln.

Haag setzt auf den Trend. Strom ist dort günstiger, die Politik unterstützt neue Werke mit Förderprogrammen. Zehn Prozent der Aurubis-Produktion sollen künftig aus Virginia kommen. Ein kleiner Anteil – aber mit großer Symbolkraft: Die USA als Signal für Wachstum, für Wandel, für Neubeginn.

Chinesische Konkurrenz, fehlende Minen

Doch der Weg bleibt steinig. Weltweit bauen Staaten wie China, Indonesien oder Indien ihre Schmelzkapazitäten aus. Das Problem: Es gibt zu wenig neues Kupfer. Neue Minen entstehen kaum – und die bestehenden reichen nicht aus.

Folge: Die Preise, die Unternehmen wie Aurubis für die Verarbeitung des Rohstoffs erhalten, sinken. Schon seit 2024 befinden sich die sogenannten „Treatment Charges“ im freien Fall.

Aurubis spürt das direkt in der Bilanz. Im letzten Geschäftsjahr waren es noch 520 Millionen Euro operativer Gewinn. In diesem Jahr rechnet Haag nur mit 300 bis 400 Millionen. Zwar bringt das Nebenprodukt Schwefelsäure derzeit gute Erlöse, aber das reicht nicht, um dauerhaft gegenzusteuern.

Warten auf politische Signale

Ein Ausweg könnte ausgerechnet dort liegen, wo Aurubis bislang keine Perspektive sah: im europäischen Kupferbergbau. Seit Kurzem stuft die EU Kupfer als „kritischen Rohstoff“ ein – auch deshalb werden neue Minenprojekte wieder diskutiert.

Haag sagt offen, dass er einem Kupferabbau in Deutschland viel abgewinnen kann. Ein möglicher Standort: die Lausitz.

Doch ob sich das politisch durchsetzen lässt, ist unklar. Der Widerstand gegen Bergbauprojekte ist groß. Zudem dauern Genehmigungen Jahre. Kurzfristig wird Aurubis weiterhin auf Importe angewiesen sein – aus Ländern wie Chile, Peru, Mexiko oder Indonesien.

Lieferkette unter Beobachtung

Und genau da wartet das nächste Risiko. Der Konzern steht wegen seiner Lieferbeziehungen unter Druck. Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren, dass Aurubis Kupfer aus problematischen Minen bezieht – etwa in Lateinamerika.

Zuletzt hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ein Verfahren eingeleitet. Es geht um Lieferungen aus Mexiko, bei denen der Verdacht besteht, dass sie gegen das deutsche Lieferkettengesetz verstoßen.

Die theoretische Strafe: zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Das wären rund 340 Millionen Euro. Haag versichert, man nehme das sehr ernst. Man sei in engem Austausch mit den Lieferanten, habe selbst Minen besucht, darunter die des chilenischen Staatskonzerns Codelco. Doch klar ist auch: Die Kontrolle über die Zustände am anderen Ende der Welt ist begrenzt.

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