Ein Konzern im Umbruch – und doch stärker als erwartet
Der US-Gesundheitsriese Johnson & Johnson (J&J) bleibt auf Wachstumskurs – und räumt zugleich weiter auf im eigenen Konzern. Nach einem überraschend starken dritten Quartal hob das Traditionsunternehmen seine Umsatzprognose für 2025 an und kündigte an, die milliardenschwere Orthopädie-Sparte DePuy Synthes abzuspalten.
Die Zahlen sprechen für sich: Der bereinigte Gewinn je Aktie stieg auf 2,80 US-Dollar, leicht über den Erwartungen der Analysten (2,76 Dollar). Auch beim Umsatz übertraf J&J die Prognosen mit 23,99 Milliarden US-Dollar – gegenüber den erwarteten 23,75 Milliarden. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen nun mit einem Umsatz zwischen 93,5 und 93,9 Milliarden Dollar, rund 300 Millionen mehr als bislang geplant.
Während viele Wettbewerber mit schwacher Nachfrage und Preisdruck kämpfen, zeigt J&J damit eindrucksvoll, dass breite Diversifikation im Gesundheitssektor Stabilität bringen kann – auch in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit.
Abspaltung mit Ansage – DePuy Synthes soll an die Börse
Parallel zu den Quartalszahlen verkündete J&J den nächsten großen strategischen Schritt: Die Orthopädie-Sparte DePuy Synthes, die jährlich rund 9,2 Milliarden Dollar Umsatz erzielt, soll innerhalb der nächsten 18 bis 24 Monate als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht werden.
Der Schritt erinnert an die Abspaltung des Konsumgütergeschäfts Kenvue im Jahr 2023, das mit Marken wie Listerine und Tylenol an den Start ging – und für J&J ein Erfolg war. Nun folgt also die Trennung von einem weiteren traditionsreichen Geschäftsbereich.
DePuy Synthes entwickelt und produziert orthopädische Implantate, etwa Hüft- und Kniegelenke, sowie Instrumente für Wirbelsäulen- und Unfallchirurgie. Finanzchef Joe Wolk begründete den Schritt mit deutlichen Worten:
„Die nächste Innovationsphase in der Orthopädie wird wahrscheinlich woanders in besseren Händen sein.“
Ein Satz, der zeigt, dass Johnson & Johnson sein künftiges Wachstum nicht mehr im klassischen Implantate-Geschäft sieht, sondern in Technologien mit höherer Marge – insbesondere in Onkologie, Immunologie und chirurgischen Innovationen.
Strategischer Fokus: Weniger Breite, mehr Tiefe
Für J&J ist die Trennung Teil einer klaren Strategie. Der Konzern will sich künftig stärker auf forschungsintensive, margenstarke Segmente konzentrieren – vor allem in der Krebstherapie, Immunforschung und Medizintechnik mit hoher Wertschöpfung.

Während die Orthopädie-Sparte über Jahrzehnte eine stabile, aber kapitalintensive Säule des Konzerns war, gilt sie inzwischen als wachstumsschwächer. Analysten schätzen, dass J&J durch den Spin-off die Kapitalrendite steigern und Investoren wieder stärker auf die wachstumsgetriebenen Bereiche fokussieren kann.
Der Pharmakonzern hatte in den letzten Jahren vor allem mit neuen Krebsmedikamenten und minimalinvasiven OP-Technologien starke Ergebnisse erzielt. Die Pipeline ist gut gefüllt, das Vertrauen der Märkte groß – und genau hier will J&J seine Ressourcen bündeln.
Investorensicht: Ein Konzern, der gelernt hat, loszulassen
Mit dem Schritt folgt Johnson & Johnson einem Trend, der sich in der Pharmabranche seit Jahren abzeichnet: Konzernschlankheit als Effizienzstrategie. Auch Pfizer, GSK oder Merck haben Teile ihrer Sparten abgespalten, um Kernbereiche profitabler zu machen.
Nach der erfolgreichen Kenvue-Abspaltung war klar, dass dies nicht der letzte Umbau bleiben würde. Die Bewertung des neuen Orthopädie-Unternehmens dürfte Schätzungen zufolge zwischen 15 und 25 Milliarden US-Dollar liegen – abhängig von Marktlage und Zinsumfeld.
Für Anleger ist die Botschaft eindeutig: J&J bleibt in Bewegung, aber ohne das Risiko eines chaotischen Umbaus. Die Ankündigung einer höheren Jahresprognose unterstreicht die operative Stärke, mit der der Konzern diesen Umbau finanziell stemmen kann.
Ein Musterbeispiel amerikanischer Industriekultur
Johnson & Johnson zeigt erneut, wie sich ein traditionsreiches Unternehmen neu erfinden kann, ohne seine DNA zu verlieren. Statt den Konzern durch Übernahmen aufzublähen, verfolgt J&J eine kontrollierte, strategische Entflechtung – eine Seltenheit in der US-Industrie.
Der Spin-off von DePuy Synthes markiert dabei mehr als nur einen strukturellen Umbau: Er ist Symbol einer neuen Prioritätensetzung. Forschung vor Volumen. Technologie vor Tradition. Rendite vor Reichweite.
Fazit: Ein klarer Schnitt mit Signalwirkung
Der Börsengang von DePuy Synthes ist mehr als ein Finanzmanöver – er ist ein Bekenntnis zu einem neuen Selbstverständnis bei Johnson & Johnson. Während andere Konzerne ihre Diversifikation als Sicherheitsnetz sehen, erkennt J&J darin Ballast, der Innovation hemmen kann.
Das Unternehmen bleibt damit Vorreiter einer Entwicklung, die in der Pharmabranche längst an Dynamik gewinnt: weniger ist mehr – vor allem, wenn das Weniger profitabler ist.
Und so dürfte der Börsengang von DePuy Synthes nicht das Ende eines Kapitels sein, sondern der Beginn eines neuen.
