Noch ist der Himmel über Florida blau, die Straßen von Miami Beach voller Touristen. Doch in den Büros der Rückversicherer herrscht bereits Alarmstufe Gelb. Am 1. Juni beginnt offiziell die Hurrikansaison 2025 – und die Erwartungen könnten kaum düsterer sein.
NOAA und andere US-Behörden rechnen mit einer überdurchschnittlich aktiven Saison, auch wegen des Endes von El Niño und der ungewöhnlich warmen Wassertemperaturen im Atlantik.
Für Versicherer und Rückversicherer ist das nicht weniger als eine finanzielle Gratwanderung. Denn Klimarisiken im Süden der USA sind längst keine Ausnahme mehr – sie sind der neue Normalfall. Und sie treiben die Branche an ihre ökonomischen und strategischen Grenzen.
Prämien steigen – Kapazitäten sinken
„Das Problem ist nicht nur die Häufigkeit der Hurrikane, sondern ihre Intensität“, erklärt Prof. Carmen Otero von der University of Miami, die zu Klimarisiken im Versicherungswesen forscht. Während früher fünf, sechs Stürme pro Saison erwartet wurden, rechnet man heute regelmäßig mit zehn bis zwölf – darunter mehrere der Kategorie 3 oder höher.
Die Folge: Versicherungsprämien für Hausbesitzer in Florida sind in fünf Jahren um über 100 % gestiegen. Manche Anbieter haben sich ganz aus dem Markt zurückgezogen. Auch Rückversicherer wie Swiss Re oder Munich Re haben ihre Engagements in besonders riskanten Zonen reduziert – oder lassen sich diese Risiken inzwischen teuer bezahlen.

Munich Re und Swiss Re ziehen Konsequenzen
Munich Re, größter Rückversicherer der Welt, hat im US-Geschäft mit Naturkatastrophen seine Risikomodelle überarbeitet und bestimmte Regionen neu bewertet.
Laut Unternehmensangaben wurden in mehreren US-Bundesstaaten Rückversicherungsdeckungen nicht verlängert – oder nur mit deutlich geringerer Kapazität.
Auch Swiss Re kommuniziert offen, dass die Risiken durch Extremwetter „nicht mehr linear modellierbar“ seien. Das Unternehmen fordert seit Längerem eine bessere Datenbasis, um sogenannte Sekundärgefahren wie Überschwemmungen, Hagel und Sturm neu zu bepreisen.

Für Investoren bedeutet das: Wachstum allein ist nicht mehr das Ziel – Kapitaldisziplin und Underwriting-Qualität gewinnen an Bedeutung.
Die USA als Hochrisikozone im Klimamarkt
Die USA sind nicht nur der wichtigste Versicherungsmarkt der Welt – sie sind auch der volatilste. Fast 60 % der globalen versicherten Katastrophenschäden im Jahr 2023 entfielen auf die USA, ein Großteil davon durch Hurrikane.
Für Kapitalmärkte sind Rückversicherer längst keine langweiligen Titel mehr. Ihr Risiko-Rendite-Profil gleicht zunehmend einer Wette auf Wetterextreme – vor allem bei börsennotierten Anbietern wie RenaissanceRe oder Arch Capital. Wer in Rückversicherer investiert, wettet indirekt auf die Frequenz und Schwere von Naturkatastrophen.

ESG-Investoren in der Zwickmühle
Der Druck wächst von zwei Seiten: Während Anleger auf der einen Seite stabile Dividenden und geringe Volatilität verlangen, fordern ESG-Investoren konsequentes Risikomanagement und ein glaubwürdiges Bekenntnis zum Klimawandel.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn wer Risiken scheut, verliert Marktanteile. Wer zu viel Risiko nimmt, zahlt am Ende Milliarden. Für die Rückversicherungsbranche ist der Klimawandel kein politisches Thema – sondern buchstäblich eine Preisfrage.
Fazit
Die Hurrikansaison 2025 beginnt mit einer Mischung aus Unsicherheit, Kostenexplosion und strategischer Verknappung von Versicherungsschutz. Anleger sollten genau hinsehen, wie Unternehmen wie Munich Re, Swiss Re oder US-Versicherer auf das neue Normal reagieren: mit kluger Risikosteuerung oder aggressiver Preisstrategie?
Denn eines ist sicher: Der nächste Sturm kommt bestimmt. Die Frage ist nur, wer ihn übersteht – wirtschaftlich.
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