26. Juli, 2025

Unternehmen

Heideldruck taumelt – und setzt nun auf Rüstung

Jahrzehntelang war Heidelberger Druckmaschinen ein Stolz der deutschen Industrie. Heute ist vom Glanz wenig geblieben. Der neue Chef soll den Karren aus dem Dreck ziehen – mit alten Ideen, neuen Versprechen und einem Abstecher ins Rüstungsgeschäft.

Heideldruck taumelt – und setzt nun auf Rüstung
Vom Weltmarktführer zum Restrukturierungsfall – Der Aktienkurs von Heidelberger Druckmaschinen fiel seit dem Jahr 2000 von 44 Euro auf unter 2 Euro. Das Traditionsunternehmen hat in 25 Jahren über die Hälfte seiner Umsätze und Arbeitsplätze verloren.

Abstieg mit Ansage

2000 feierte Heidelberger Druckmaschinen 150-jähriges Jubiläum. Damals Weltmarktführer, Branchenprimus, Vorzeigeunternehmen. Heute, 25 Jahre später, steckt der Konzern wieder einmal tief in der Sanierung – Personalabbau, Restrukturierungsprogramm, neue Hoffnung. Das Programm ist bekannt, nur das Personal wechselt ständig.

Quelle: Eulerpool

Die Zahlen sprechen für sich: Der Umsatz hat sich seit der Jahrtausendwende halbiert, der Börsenkurs liegt bei mageren 1,60 Euro. Die letzte Dividende? 2008. Der letzte echte Strategieerfolg? Fehlanzeige. Dafür jede Menge Managementflops, Kurswechsel, gescheiterte Ideen – und ein neues Geschäftsmodell alle paar Jahre.

Altlasten, die nicht vergehen

Dass der klassische Bogendruckmarkt schrumpft, ist bekannt. Doch was Heideldruck wirklich aus der Bahn warf, war das eigene Missmanagement. Entscheidungen wurden zu spät getroffen oder sofort wieder revidiert. Der Digitaldruck – früh erkannt, dann ignoriert. Der Verpackungsdruck – gestartet, gestoppt, wieder aufgenommen.

Und Mehdorns Einkaufstour in den 90er-Jahren? Eine Katastrophe mit Ansage. Teure Zukäufe, ambitionierte Joint Ventures, verlustreiche Sparten – das meiste davon ist längst abgewickelt. Übrig geblieben ist ein Konzern mit Nostalgie-Charme, aber ohne klare Zukunftsstrategie.

Rückwärts in die Zukunft – Die 2024 präsentierte Verpackungsdruckmaschine „Cartonmaster CX 145“ ist keine Eigenentwicklung, sondern ein Lizenzprodukt des Konkurrenten Manroland – fünf Jahre, nachdem Heideldruck das Segment selbst aufgegeben hatte.

Ein Sanierer mit Auftrag

Jürgen Otto, seit einem Jahr CEO, ist der nächste in der langen Reihe von Hoffnungsträgern. Zuvor machte er sich bei Brose, Dräxlmaier und S.Oliver einen Namen als Sanierer mit kurzer Verweildauer. Jetzt soll er ausgerechnet das schaffen, woran seine Vorgänger regelmäßig gescheitert sind: Heideldruck neu erfinden.

Sein Ansatz: klassisches Effizienzprogramm nach Automobilmuster. 450 Stellen werden gestrichen, Werkferien reduziert, Prozesse gestrafft. Das Ziel: höhere Marge, weniger Ballast. Aber reicht das? Zweifel sind erlaubt.

Innovation ohne Richtung

Heideldruck hat in der Tat einige technische Kompetenzen – gerade in der Leistungselektronik. Doch auch hier fehlt oft das unternehmerische Gespür. Beispiel Wallbox: Ein Ingenieur entwickelt für Porsche ein innovatives Produkt – geliefert wird, verdient wird kaum.

Dann kam der nächste Versuch: Elektrolyseure zur Wasserstofferzeugung. Zukunftstechnologie, ja – aber ohne erkennbares Geschäftsmodell. Ottos Kommentar: „Das wurde vor meiner Zeit entschieden.“ Viel Vertrauen klingt anders.

Ein Einstieg mit Fragezeichen – CEO Jürgen Otto will Heidelberger Druck als Zulieferer ins Rüstungsgeschäft führen. Doch bisher fehlt es an konkreten Produkten, belastbaren Aufträgen – und an der notwendigen Zertifizierung.

Der Griff nach der Rüstung

Jetzt also Rüstung. Der neue Hoffnungsträger will Heideldruck als Zulieferer für Heimatschutzfahrzeuge positionieren. Was genau das heißt, bleibt unklar. „Hoch vertraulich“, heißt es. Immerhin: Der Aktienkurs kletterte nach der Ankündigung leicht.

Die Branche weiß, wie schwer der Einstieg ins Rüstungsgeschäft ist. Zertifizierungen, Vertrauensaufbau, politisches Timing – all das braucht Zeit. Ob das Unternehmen diese noch hat, ist fraglich.

Die Konkurrenz ist längst weiter

Koenig & Bauer zeigt, dass ein Umbau gelingen kann. Der Würzburger Wettbewerber verabschiedete sich konsequent vom Werbedruck und konzentrierte sich auf Nischen wie Banknoten- oder Blechdruck. Ergebnis: stabilere Umsätze, solide Bilanz.

Heideldruck dagegen blieb seiner Kernkompetenz treu – und fuhr sie konsequent an die Wand. Aus einer Position der Stärke wurde eine permanente Krise. Und aus technischer Exzellenz ein Beispiel für verpasste Chancen.

Der lange Schatten der Vergangenheit

Zu den Altlasten zählen auch die Personalentscheidungen. Ludwin Monz, der vor Otto das Ruder führte, hatte zwar gute Analysen, aber wenig Gespür für Teamführung. CFO Tania von der Goltz verlagerte Entscheidungen an Berater – zum Preis von 20 Millionen Euro. Gebracht hat es wenig, geblieben ist keiner von beiden.

Otto muss nun aufräumen – und gleichzeitig Zukunft bauen. Dafür holte er sich mit Volker Herdin einen alten Vertrauten aus Brose-Zeiten. Ob das reicht, um Vertrauen am Kapitalmarkt zurückzugewinnen, bleibt offen.

SAP als Hoffnungsträger

Ein kleiner Lichtblick: Im E-Ladebereich konnte Heideldruck SAP als Kunden gewinnen. Man will Ladeinfrastruktur managen, vom Aufbau bis zur Wartung. Klingt vernünftig – ist aber kein Selbstläufer. Und kein Ersatz für ein tragfähiges Kerngeschäft.

Geduld am Limit

Trotz allem halten zwei Großinvestoren weiter ihre Anteile: der Schweizer Unternehmer Ferdinand Rüesch und der chinesische Maschinenbauer Masterwork. Beide halten je rund acht Prozent – und sich öffentlich zurück. Vertrauen sieht anders aus.

Die Frage ist: Wie lange noch? Denn viel Spielraum für weitere Fehlversuche bleibt nicht. Sollte auch Ottos Kurs ins Leere laufen, wird es eng. Sehr eng.

Zukunft? Noch unklar

In der Branche gibt es zwei realistische Szenarien: ein Zusammenschluss mit Koenig & Bauer – kartellrechtlich schwierig, aber nicht unmöglich. Oder eine radikale Neuausrichtung auf ein lukratives Nischengeschäft jenseits des Drucks.

Beides bräuchte Mut, Kapital – und eine klare Strategie. Drei Dinge, an denen es bei Heidelberger Druckmaschinen zuletzt regelmäßig gemangelt hat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Milliarden für die Atemwege – Sanofi greift nach Vicebio
Mit der Übernahme des britischen Biotechs Vicebio sichert sich der französische Pharmakonzern Sanofi nicht nur neue Impfstofftechnologie, sondern auch einen Fuß in der Tür zu einem Milliardenmarkt rund um Atemwegserkrankungen.