Ein Einstieg mit Signalwirkung
Der Einstieg kommt leise, aber mit Wucht: Heidelberger Druckmaschinen, einst als Ikone des deutschen Maschinenbaus für Zeitungs- und Verpackungsdruck bekannt, wagt sich in neue Gefilde – in die Welt der militärischen Systemtechnik.
In Kooperation mit Vincorion Advanced Systems, der früheren Militärsparte von Jenoptik, will das Unternehmen künftig zentrale Komponenten für Strom- und Regelungstechnik liefern. Die Nachricht ließ die Aktie am Dienstag um über 19 Prozent steigen – ihr höchster Stand seit zwei Jahren.
Was nüchtern klingt – Steuerschränke, Leistungselektronik, Energieverteilung – ist in Wahrheit ein Paradigmenwechsel. Heidelberger Druckmaschinen betritt erstmals den sicherheitskritischen Markt der Rüstungstechnologie, mit offenem Visier – und klarer Gewinnerwartung.
Vom Zeitungsdruck zum Panzersteuergerät
„Wir sagen nicht, dass wir bessere Panzer bauen als Rheinmetall“, so Vorstandschef Jürgen Otto, „aber wir wissen, wie man ihre Technologie skalierbar macht.“ Das Unternehmen kann alles im Haus fertigen: Guss, Mechatronik, Software, Elektronik.
Bislang diente diese Expertise Verpackungsanlagen und Digitaldrucksystemen – künftig womöglich auch den Leopard-Panzern oder mobilen Feldgeneratoren.
Die erste Lieferung: ein Steuerschrank für Stromgeneratoren, der Spannung und Frequenz kontrolliert. Ein Detail mit strategischem Wert – in modernen Gefechten sind Elektronik und Energieversorgung oft entscheidender als das Kaliber der Kanone.
Der Krieg als Konjunkturprogramm
Dass Heidelberger Druck sich dieses Feld nun erschließt, ist kein Zufall. Europas Regierungen investieren derzeit Hunderte Milliarden Euro in Rüstung – in Deutschland allein wurden mit dem Sondervermögen 100 Milliarden Euro mobilisiert.
Der Ukrainekrieg, der Konflikt in Nahost und die Debatten über europäische Verteidigungsfähigkeit haben der Branche einen politischen Rückenwind verschafft, wie ihn die Industrie seit Jahrzehnten nicht mehr kannte.
Lesen Sie auch:

Zugleich suchen Unternehmen jenseits klassischer Rüstungskonzerne nach Anknüpfungspunkten – etwa über Energietechnik, Steuerungssysteme oder digitale Infrastruktur. Für viele Maschinenbauer ist das Segment Rüstung die letzte große Wachstumsstory mit verlässlichem staatlichem Cashflow.
Ein neuer Kurs für die Heidelberger
Heidelberg selbst steckt seit Jahren im Umbau. Der Absturz des traditionellen Druckgeschäfts – viele Zeitungen verschwinden, Printauflagen sinken – zwang den SDAX-Konzern zu einem radikalen Strategiewechsel.
Neue Felder wie E-Mobilität, Batterietechnologie oder digitale Automatisierung sollten das Unternehmen retten. Der Einstieg ins Rüstungsgeschäft ist dabei mehr als nur ein Geschäftsmodell – er ist ein symbolischer Befreiungsschlag.
CEO Otto gibt sich betont nüchtern – doch die Zielsetzung ist ambitioniert: In drei Jahren sollen allein im Industriesegment, zu dem auch die neue Rüstungssparte gehört, über 100 Millionen Euro Umsatz erzielt werden. Das wäre etwa ein Fünftel des aktuellen Konzernumsatzes.
Rüstungsaktien auf dem Vormarsch – ein Trend mit Risiken
Für Anleger ist die Richtung klar: Der Markt liebt klare Zukunftsperspektiven – und das Geschäft mit militärischer Infrastruktur bietet Margen, Sicherheit und Planbarkeit. Kein Wunder, dass die Heidelberger-Aktie seit Jahresbeginn über 110 Prozent zugelegt hat. Damit gehört sie zu den Top-Performern im SDAX.
Doch der neue Kurs ist auch mit politischen Risiken behaftet. Rüstung ist kein neutrales Geschäftsfeld. Kooperationen, Exportkontrollen, ethische Debatten – all das wird für Heidelberger Druck künftig Alltag sein. Auch aus der Belegschaft oder von Investoren könnten Fragen kommen, wie sich das Unternehmen zum Thema Kriegsökonomie positionieren will.
Das könnte Sie auch interessieren:
