01. Juli, 2025

Unternehmen

Führungswechsel bei Airbus: Hoffnung mit Turbulenzen

Airbus liefert zu wenig, arbeitet zu analog, verliert Milliarden im Rüstungsgeschäft – doch nun krempelt Konzernchef Faury die Führung um. Was der neue Vorstand wirklich ändern kann.

Führungswechsel bei Airbus: Hoffnung mit Turbulenzen
Trotz ambitionierter Projekte wie dem Wasserstoffjet rückt Airbus unter Faury wieder näher an betriebswirtschaftliche Bodenhaftung – auch wegen schmerzhafter Lieferprobleme und Margendruck.

Die Auftragsbücher sind voll, die Konkurrenz ist angeschlagen, und trotzdem kommt Airbus kaum vom Fleck. Europas größter Luftfahrtkonzern hat alles, was man zum Durchstarten bräuchte – und steht sich doch selbst im Weg.

Seit Monaten liefert Airbus deutlich weniger Jets aus als versprochen, verschleppt Digitalisierungsprojekte und lässt im boomenden Rüstungssegment Milliarden an Potenzial liegen.

Jetzt will CEO Guillaume Faury das Ruder herumreißen – mit einem radikalen Umbau der Konzernspitze und einem Strategiewechsel zurück zu betriebswirtschaftlicher Nüchternheit.

Voller Auftragsbestand, schleppende Produktion

Rund 8600 Flugzeuge stehen in den Auftragsbüchern, Tendenz steigend. Der A320neo verkauft sich weiterhin hervorragend – er trägt rund 80 Prozent zum operativen Gewinn des Konzerns bei.

Quelle: Eulerpool

Und doch verfehlte Airbus zuletzt wieder seine Produktionsziele deutlich: Statt der geplanten 1000 Maschinen werden es 2025 voraussichtlich nur 820. Bereits 2024 hatte das Unternehmen seine eigenen Erwartungen um knapp zehn Prozent verfehlt.

Die Ursachen sind vielfältig. Fehlende Zulieferteile, Fachkräftemangel, Rohstoffknappheit. Doch viele Probleme hat sich Airbus selbst eingebrockt.

Der Führungsumbau bringt frische Namen an die Spitze – doch viele der strukturellen Defizite wie überkomplexe Prozesse und träge Unternehmenskultur bleiben vorerst ungelöst.

So zwang der Konzern seine Lieferanten zu Rabatten und gleichzeitig zu Produktionssteigerungen – ein Spagat, den viele nicht mehr mittragen konnten. Zudem gibt es im Top-Management bis heute kaum operative Expertise für Lieferketten. Bislang zumindest.

Neues Personal, alte Probleme

Die neue Strategie lautet: Umbau von innen. Technikchefin Sabine Klauke verlässt den Vorstand und soll künftig den Flugzeugbau digitalisieren – eine Herkulesaufgabe, für die Branchenkenner andere Fähigkeiten bevorzugt hätten. Ihr Nachfolger wird Rémi Maillard, bisher Chef des Indien- und Südostasiengeschäfts.

Quelle: Eulerpool

Parallel übernimmt MTU-CEO Lars Wagner das zivilen Flugzeuggeschäft, die mit Abstand wichtigste Sparte des Konzerns. Wagner gilt als erfahrener Manager mit Verständnis für komplexe Produktionsprozesse – ein Pluspunkt in einem Unternehmen, dessen Flugzeuge nach wie vor zu großen Teilen in Handarbeit entstehen.

Neuer Einkaufschef wird Benoit Schulz, bislang Kanada-Chef. Auch er soll helfen, die Lieferkette internationaler und robuster aufzustellen. Die Liste der Rochaden ist lang – und das Kalkül klar: mehr Effizienz, weniger PR-Stunts.

Weniger Nachhaltigkeitsvision, mehr Renditefokus

Der neue Kurs bedeutet auch das faktische Aus für mehrere ambitionierte Zukunftsprojekte. Zwar wird am Wasserstoff-Jet noch öffentlich festgehalten, doch intern gilt das Projekt als auf Eis gelegt. Die Konzernleitung setzt wieder auf betriebswirtschaftlich belastbare Projekte – solche, die nicht erst in 20 Jahren Umsatz bringen, sondern möglichst vor 2030.

Das klingt nüchtern – ist aber angesichts der sich häufenden Rückschläge wohl alternativlos. Noch 2023 hatte Faury den Branchentreff in Le Bourget mit der frohen Botschaft eröffnet: „Die guten Zeiten sind zurück.“ Nur um wenig später eine Gewinnwarnung hinterherzuschieben.

Digitalisierung: Der lange Weg zur „Fabrik der Zukunft“

Die vielleicht größte Hypothek aber ist die veraltete Produktionsweise. Airbus ist ein Hightechunternehmen auf dem Papier – doch die Werkhallen sagen etwas anderes.

Kaum automatisierte Abläufe, viele Prozesse auf Papier, digitale Zwillinge nur in Pilotprojekten. Selbst Sonderausstattungen für Airlines verursachen enorme Zusatzkosten.

Sabine Klauke soll nun eine durchdigitalisierte Fertigungsstraße entwerfen – das sogenannte „Ökosystem Fabrik der Zukunft“. Der Anspruch ist groß: schnellere Fertigung, weniger Gewicht, niedrigere Betriebskosten. Intern wird das Projekt als entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit gewertet. Aber ob Klauke die Richtige dafür ist, wird selbst im Konzern hinterfragt.

Der Kulturkampf im Konzern

Neben Technik und Produktion soll auch die Unternehmenskultur modernisiert werden. Personalchefin Carmen-Maja Rex übernimmt den Umbau der globalen Belegschaft. Denn auch wenn Airbus weltweit fertigt, bestimmen bis heute französisch-deutsche Interessen das Konzernhandeln.

Der Kulturumbau ist wohl die härteste Nuss. Eine moderne, internationale Führungsstruktur zu etablieren, ohne die bestehende Machtbalance zu stören, dürfte Jahre dauern.

Bereits jetzt ist zu sehen, wie sehr nationale Interessen interne Entscheidungen beeinflussen: So wurde Klauke – eine Deutsche – offenbar nur aus Konzernraison auf ihren neuen Posten gehievt, um das Gleichgewicht zu wahren.

Wachstum mit angezogener Handbremse

Die Lage bei Airbus ist paradox. Aufträge im Überfluss, der große Rivale Boeing tief in der Krise – und trotzdem bleibt das Wachstum moderat. Die Ursachen liegen in der Struktur: zu viele Altlasten, zu wenig operative Schlagkraft.

Faurys Umbau ist mutig, aber riskant. Denn je mehr Führungskräfte ausgetauscht werden, desto höher wird auch der Erfolgsdruck auf den CEO selbst. Und noch hat keiner der Neuen bewiesen, dass er die komplexen Baustellen bei Airbus tatsächlich in den Griff bekommt.

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