Sparprogramm greift – Gewinne steigen trotz Flaute
Evonik hat zum Jahresauftakt geliefert – zumindest auf dem Papier. Der Essener Spezialchemiekonzern meldet für das erste Quartal 2025 ein bereinigtes Ebitda von 560 Millionen Euro, ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Auch der Nettogewinn kletterte deutlich, von 156 auf 233 Millionen Euro. Der Umsatz dagegen blieb mit 3,7 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau – ein stiller Hinweis darauf, woher das Gewinnwachstum wirklich kommt.
Denn dass es sich um einen betriebswirtschaftlichen Erfolg handelt und nicht um einen Nachfrageboom, verschweigt auch Vorstandschef Christian Kullmann nicht. Der Konzern profitiert von internen Einschnitten – nicht von einem anziehenden Markt.
Kostensenkung als Wachstumstreiber
Im Zentrum des Aufschwungs steht ein umfassendes Effizienzprogramm, das Evonik bereits im Vorjahr gestartet hatte. Bis Ende 2026 sollen die jährlichen Kosten um 400 Millionen Euro gesenkt werden. Dafür wird das Unternehmen straff reorganisiert, Personal abgebaut und Sparten verkauft.
Ziel sei, so Kullmann, ein „schlankerer und schlagkräftigerer Konzern“. Die Strategie folgt einem klaren Trend: In einem zunehmend instabilen globalen Umfeld sollen Größe und Breite durch Geschwindigkeit und Flexibilität ersetzt werden.
Tiernahrung als Wachstumssegment – klassische Chemie unter Druck
Treiber des operativen Erfolgs ist ausgerechnet ein Segment, das bei vielen Investoren lange unter dem Radar flog: Futtermittelzusätze.
In der Sparte Nutrition & Care, die unter anderem Aminosäuren für die Tierernährung herstellt, konnte Evonik die Nachfrage stabilisieren – und im Preisumfeld sogar zulegen. Ein Geschäft, das von der Weltkonjunktur weitgehend unabhängig ist.
Ganz anders sieht es im klassischen Chemiebereich aus. Dort bleibt der Margendruck hoch – nicht zuletzt wegen schwacher Nachfrage aus Asien, politischer Unsicherheit in Europa und der zunehmend aggressiven Zollpolitik der USA unter Donald Trump. Kullmann verweist auf „externe Unsicherheiten“, will aber dennoch an der Jahresprognose festhalten.
Umsatz bleibt flach – doch Prognose steht
Trotz stagnierendem Umsatz hält der Konzern an seiner Prognose fest: Für das Gesamtjahr 2025 rechnet Evonik weiter mit einem bereinigten Ebitda zwischen 2,0 und 2,3 Milliarden Euro.
Das obere Ende der Spanne wäre ein solides Ergebnis – das untere eine Stabilisierung im Vergleich zum Vorjahr.
Ob dieses Ziel erreichbar bleibt, hängt nicht zuletzt vom geopolitischen Umfeld ab. Handelskonflikte, steigende Energiepreise und mögliche Gegenmaßnahmen aus China könnten die Lieferketten erneut belasten. Doch der Konzern setzt auf Disziplin statt Dynamik – und sieht sich mit seinem Kurs gewappnet.
Zwei Segmente statt vieler Sparten – Evonik ordnet sich neu
Im Zuge der Neuaufstellung bündelt Evonik sein Geschäft künftig in nur noch zwei Kernsegmenten: „Smart Materials“ und „Specialty Additives“. Alles, was nicht dazugehört, könnte zur Disposition stehen.
Das ist nicht nur eine Strukturmaßnahme – sondern ein klares Signal an den Kapitalmarkt: Evonik will fokussierter, profitabler und international wettbewerbsfähiger werden.
Insider sehen darin auch einen strategischen Befreiungsschlag, mit dem sich der Konzern unabhängiger von volatilen Massenchemie-Geschäften machen will. Künftig soll der Fokus stärker auf margenstarken Spezialprodukten liegen – mit weniger Energieeinsatz, aber höherer Innovationskraft.
Klartext beim Personal: Auch Stellenabbau ist Teil des Plans
Weniger deutlich kommuniziert das Management die sozialen Folgen des Sparkurses. Klar ist: Der Umbau geht zulasten von Arbeitsplätzen. Wie viele Stellen in Deutschland oder im Ausland konkret wegfallen sollen, sagt der Konzern noch nicht. Doch in Branchenkreisen ist von einem mittleren vierstelligen Bereich die Rede – über mehrere Jahre gestreckt.
Für die Gewerkschaften wird das erste Halbjahr 2025 damit zum Stresstest. Denn während die Gewinnzahlen solide sind, verschärft sich der interne Druck auf die Belegschaft. Auch die Konzernzentrale in Essen steht nicht außerhalb der Debatte.
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