22. Juli, 2025

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Europas neue Russland-Sanktionen setzen an der Pipeline an

Nach wochenlangem Streit beschließt die EU ihr 18. Sanktionspaket gegen Russland. Im Fokus: Öl, Schattenflotten und ein Ausschluss von Nord Stream – mit drastischen Folgen auch für Europas Energieordnung. Doch wie viel Druck erzeugt Brüssel wirklich?

Europas neue Russland-Sanktionen setzen an der Pipeline an
Brüsseler Dämmerung – In langen Verhandlungsnächten rang die EU um Einigkeit. Am Ende setzte sich der geopolitische Wille gegen wirtschaftliche Einzelinteressen durch.

Die EU setzt ein Zeichen – und umgeht ein anderes

Nach zähem Ringen hat sich die EU in Brüssel auf ein neues Maßnahmenpaket gegen Russland geeinigt. Es ist das mittlerweile 18. seiner Art – doch dieses Mal soll es mehr sein als nur Symbolpolitik.

Neben den üblichen Einträgen auf der Sanktionsliste und neuen Exportverboten richtet sich der Fokus der Strafmaßnahmen gezielt auf drei neuralgische Punkte: Öl, Finanzen und Logistik. Vor allem soll verhindert werden, dass Moskau nach einer möglichen Reparatur die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 wieder in Betrieb nimmt.

Das langsame Ringen um Einigkeit

Dass das Paket überhaupt zustande kam, ist nicht selbstverständlich. Wochenlang hatte die Slowakei blockiert, flankiert von Bedenken aus Griechenland, Zypern und Malta. Die Sorge: wirtschaftliche Nachteile für nationale Reedereien, sollte der Ölpreisdeckel zu drastisch sinken.

Die Lösung ist nun ein Kompromiss mit vielen Fußnoten: Der Preis für russisches Öl in Drittstaaten wird von 60 auf 47,60 Dollar pro Barrel reduziert – allerdings dynamisch, also nie mehr als 15 Prozent unter dem Marktdurchschnitt. Für die Slowakei gibt es eine Sonderregel, um sie wirtschaftlich zu entlasten, sollte ein kompletter Importstopp für russisches Gas folgen.

Gesperrt auf ewig? – Nord Stream 1 und 2 bleiben Symbol des zerbrochenen Energiepakts mit Russland. Brüssel will jedes Comeback verhindern – auch auf dem Papier.

Nord Stream im Visier: EU macht dicht – auch symbolisch

Besonders brisant ist die Passage, die jede mögliche Wiederinbetriebnahme der Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 ausschließen soll. Zwar wurden drei der vier Röhren im September 2022 durch Sabotage zerstört – doch eine theoretische Reparatur, so fürchtet Brüssel, könnte Russland in Zukunft erneut ein milliardenschweres Gasgeschäft mit Europa ermöglichen.

Die neuen Sanktionen sollen das von vornherein unterbinden. Kritiker sprechen von einem symbolischen Akt: Die politische Realität lasse ohnehin keinen Gasdeal mit Moskau mehr zu – unabhängig vom Zustand der Pipelines.

Brüssel geht härter gegen Schlupflöcher vor

Ein zentrales Ziel des neuen Pakets ist die russische „Schattenflotte“ – über 100 neu gelistete Schiffe, die sanktioniertes Öl an EU-Sanktionen vorbei transportieren.

Diese Schiffe dürfen fortan keine EU-Häfen mehr anlaufen, nicht mehr von europäischen Firmen versichert oder finanziert werden. Auch Transaktionen mit Reedereien, Vermittlern und Versicherern, die an solchen Umgehungsgeschäften beteiligt sind, werden sanktioniert. Insgesamt stehen nun rund 450 Schiffe auf der schwarzen Liste der EU.

Chinesische Banken erstmals betroffen

Erstmals greift Brüssel nun auch gegenüber China durch. Zwei chinesische Banken und mehrere chinesische Unternehmen, die Russland bei der Umgehung von Sanktionen unterstützen sollen, werden mit Strafmaßnahmen belegt.

Schattenflotte im Fadenkreuz – Über 450 Schiffe stehen mittlerweile auf der Sanktionsliste. Sie gelten als zentrale Pfeiler für Russlands Umgehung des Ölpreisdeckels.

Damit bewegt sich die EU auf geopolitisch dünnem Eis: Brüssel riskiert, Peking direkt zu verärgern. Doch in der Logik der EU-Außenpolitik ist dieser Schritt konsequent. Wer Russlands Kriegsmaschinerie stützt – sei es durch Geld, Technik oder Logistik – soll die Konsequenzen spüren, egal ob aus Moskau, Teheran oder Shanghai.

Swift-Abkopplung für 22 Banken – ein weiterer Schritt in Richtung Isolation

Auch der russische Finanzsektor wird weiter isoliert. 22 weitere Banken sollen vom internationalen Swift-Zahlungssystem abgekoppelt werden, darunter auch Institute mit bisher noch vorhandener EU-Anbindung.

Insgesamt betrifft dies nun über 2500 juristische und natürliche Personen, Unternehmen und Organisationen – eine Rekordzahl in der EU-Sanktionsgeschichte. Neu ist zudem ein Verbot für Finanztransaktionen mit Drittländern, die offensichtlich an der Umgehung der Ölpreisregeln mitwirken.

Heizöl, Kerosin, Diesel: Das Ende der Gesetzeslücken

Ein weiteres Schlupfloch soll nun geschlossen werden: Russland konnte bislang über Drittstaaten raffinierte Ölprodukte wie Kerosin, Diesel oder Heizöl in die EU schleusen.

Ab sofort sind auch diese Importe untersagt – ein Schritt, der vor allem in der Luftfahrtindustrie für neue Herausforderungen sorgen dürfte, denn Ersatzprodukte sind begrenzt und teuer.

Wirkt das überhaupt noch?

Die entscheidende Frage: Wie viel Druck erzeugen all diese Maßnahmen wirklich? Während Befürworter darauf verweisen, dass Russland durch die Sanktionen massive Einnahmeverluste und industrielle Rückschritte hinnehmen müsse, bleiben Kritiker skeptisch.

Wladimir Putin habe seine Strategie längst angepasst, alternative Handelsbeziehungen aufgebaut und mit neuen Abnehmerstaaten wie Indien, China oder den Vereinigten Arabischen Emiraten wirtschaftliche Ersatzstrukturen geschaffen.

Und: Viele Sanktionsumgehungen werden über Länder abgewickelt, die nicht Teil der westlichen Koalition sind.

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