Pharmariese mit Appetit
Eli Lilly denkt längst in neuen Größenordnungen. Nach mehreren Übernahmen in diesem Jahr greift der US-Konzern nun offenbar nach dem nächsten Biotech-Juwel: Verve Therapeutics. Laut einem Bericht der Financial Times laufen bereits fortgeschrittene Gespräche über einen Kauf.
Der Preis ist ambitioniert: Bis zu 1,3 Milliarden US-Dollar soll sich Lilly die Übernahme kosten lassen. Davon rund eine Milliarde als Sofortzahlung, der Rest abhängig von bestimmten Meilenstein-Zielen, wie Insider berichten.
Damit wäre Verve gleich doppelt so hoch bewertet wie noch zu Wochenbeginn. Zum Handelsschluss lag die Marktkapitalisierung des Unternehmens gerade einmal bei rund 500 Millionen Dollar.
Aktie hebt sofort ab
Die Reaktion an den Börsen kam prompt. Noch vor Börseneröffnung schoss die Verve-Aktie an der NASDAQ am Dienstag zeitweise um knapp 75 Prozent nach oben auf 10,97 US-Dollar. Anleger preisen damit das Übernahmeangebot faktisch schon ein – ein deutliches Signal, wie ernst der Markt die Gespräche nimmt.
Für Verve könnte der Deal eine Rettung zur rechten Zeit sein. Das Biotech-Unternehmen ist auf Gentherapien zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spezialisiert, eine Nische mit enormem medizinischem Potenzial, aber auch hohen Entwicklungskosten und langen Zulassungswegen.
Für kleine Player wie Verve bleibt ohne finanzstarken Partner das Risiko oft kaum beherrschbar.
Lilly setzt Übernahmeserie fort
Der Griff nach Verve ist nur der jüngste Baustein einer Einkaufstour, die Eli Lilly in diesem Jahr aggressiv vorantreibt. Schon im Januar kaufte der Konzern Scorpion Therapeutics für rund 2,5 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der Übernahme von SiteOne Therapeutics für eine weitere Milliarde.
Die Strategie ist klar: Eli Lilly will sich in den wachstumsstärksten Zukunftsfeldern der Medizin möglichst frühzeitig die aussichtsreichsten Technologien sichern.
Im Zentrum steht dabei neben Diabetes und Adipositas – wo man sich mit Novo Nordisk einen erbitterten Wettkampf liefert – zunehmend auch die Kardiologie. Mit den Gentherapie-Plattformen von Verve könnte Lilly seine Pipeline in diesem Bereich deutlich ausbauen.
Besonders bei Krankheiten wie familiärer Hypercholesterinämie, einer erblich bedingten Fettstoffwechselstörung, gelten die Ansätze von Verve als vielversprechend.
Risikoreiche Expansion
Doch der Expansionskurs hat auch seine Schattenseiten. Viele dieser Biotech-Innovationen befinden sich noch in sehr frühen klinischen Phasen. Ob und wann daraus zugelassene Medikamente werden, bleibt offen. Für Eli Lilly bedeutet das: Milliarden-Investitionen auf vorläufigem Vertrauen in die Wissenschaft.

Die Anleger des Pharmariesen bleiben bislang entspannt. Die Aktie von Eli Lilly gab am Dienstag im vorbörslichen Handel nur leicht um 0,71 Prozent auf 801,88 US-Dollar nach. Im Vergleich zu der fulminanten Kursrally der vergangenen Jahre – die Aktie hat sich seit 2020 mehr als verdreifacht – sind kleinere Rücksetzer kaum der Rede wert.
Der Druck wächst
Hinter dem Übernahmedrang steckt auch der steigende Druck im globalen Pharmamarkt. Neue Blockbuster müssen her, um Umsätze und Gewinne dauerhaft zu sichern, gerade wenn Patente für bestehende Medikamente auslaufen.
Eli Lillys Kassenschlager Tirzepatid (bekannt als Mounjaro und Zepbound) zur Behandlung von Diabetes und Übergewicht beschert dem Konzern derzeit satte Gewinne – doch die Konkurrenz schläft nicht.
In dieser Gemengelage versuchen sich die großen Konzerne durch Zukäufe immer neue Wachstumsfelder zu erschließen. Der Markt für Gentherapien wird dabei als eines der nächsten großen Versprechen gehandelt. Doch wie viel dieser Hoffnung sich in tatsächliche Umsätze übersetzt, bleibt ungewiss.
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