03. Mai, 2025

Wirtschaft

Edeka privatisiert sich leise

Immer mehr Filialen bei Edeka-Tochterunternehmen wie Marktkauf und Netto werden an selbstständige Händler übergeben. Für die Mitarbeiter bedeutet das oft: weniger Sicherheit, schlechtere Löhne und ein schleichender Abschied von Tarifbindung und Mitbestimmung.

Edeka privatisiert sich leise
In den privatisierten Marktkauf-Filialen in NRW endet die Tarifbindung oft mit dem Betriebsübergang. Die Beschäftigten verlieren damit nicht nur Lohnsicherheit, sondern auch ihren Anspruch auf tariflich geregelten Urlaub – teilweise 12 Tage weniger im Jahr.

Die Nachricht kam wie so oft: per Aushang. „News von der Geschäftsführung“, stand da auf einem Zettel in einer Marktkauf-Filiale in NRW. Die „News“: Der Markt wird bald nicht mehr von der Edeka-Gruppe selbst, sondern von einem unabhängigen Kaufmann geführt.

Eine Entscheidung mit System, denn Edeka treibt die Privatisierung seiner Filialen still, aber konsequent voran. Und das mit Folgen für tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Dezentralisierung bei den Töchterunternehmen der Edeka-Gruppe wie Netto, Marktkauf und Diska schreitet voran. Laut Gewerkschaft Ver.di sind bereits 17 Marktkauf-Filialen in NRW an private Betreiber übergegangen. Weitere sollen folgen.

Die Konzerntochter Edeka Rhein-Ruhr spricht von einer Stärkung des Mittelstands. Aus Sicht der Belegschaft jedoch bedeutet das vor allem eines: den Verlust von Tarifbindung, schlechtere Arbeitsbedingungen und den schleichenden Rückbau von Arbeitnehmerrechten.

Weniger Lohn, weniger Urlaub, mehr Unsicherheit

Ein Blick in aktuelle Verträge privater Betreiber offenbart, was viele beschäftigte Kassiererinnen und Filialleiter nur zu gut kennen: Tarifflucht rechnet sich für die Unternehmer.

Ein Beispiel: Eine Führungskraft verdient bei einem privaten Edeka-Partner rund 2300 Euro brutto – laut Tarifvertrag wären 2874 bis 3676 Euro üblich. Dazu kommt: Statt 36 Urlaubstagen sind es in der Praxis oft nur 24. Das ist nicht nur ein Einzelfall, sondern laut Hans-Böckler-Stiftung bittere Realität für viele.

Aktuell sind nur noch 22 Marktkauf-Filialen tarifgebunden. Der Rückzug des Konzerns aus der direkten Verantwortung gefährdet bewährte Arbeitnehmervertretungen – mit ungewissem Ausgang für die Beschäftigten.

Tarifbindung schrumpft, Druck auf Mitarbeiter steigt

Noch 2024 arbeiteten rund 38 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel unter Tarifvertrag. Inzwischen sind es laut Bundesarbeitsministerium nur noch rund 20 Prozent.

Das spüren auch die Mitarbeiter in Horn-Bad Meinberg und Schloß Holte-Stukenbrock. Dort wird das bisherige Edeka-Tarifgehalt nur noch bis Mitte 2026 gezahlt. Was danach kommt? Vage Versprechen, aber keine Sicherheit.

Ver.di schlägt Alarm – doch Edeka bleibt stumm

Die Gewerkschaft Ver.di fordert deshalb die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge für den Einzelhandel. Nur so lässt sich verhindern, dass Arbeitgeber den Wettbewerb über Löhne austragen.

Die Edeka-Zentrale in Hamburg hingegen verweist auf Gespräche vor Ort. Doch mehrere Mitarbeiter berichten, sie seien schlicht vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Marktmacht contra Mitbestimmung

Edeka argumentiert mit Flexibilität und Unternehmertum. Wirtschaftswissenschaftler Gerrit Heinemann sieht darin sogar Chancen.

Doch Kritiker wie Gewerkschaftssekretärin Sarah Bauer sehen vor allem ein Risiko: Betriebsräte und geregelte Arbeitszeiten sind im selbstständigen Einzelhandel selten. Stattdessen: Ungewissheit, Mehrarbeit und das Gefühl, austauschbar zu sein.

Ein Wandel mit System und Schattenseiten

Für Edeka mag die Strategie sinnvoll erscheinen: Die Dezentralisierung reduziert Kosten, verlagert Verantwortung und stärkt die Rolle als Großhändler. Doch der Preis dafür wird von denen gezahlt, die die Regale einräumen, kassieren und organisieren. Sie erleben eine neue Arbeitswelt – mit weniger Rechten, weniger Sicherheit und wachsender Ohnmacht.