05. Juli, 2025

Unternehmen

E.on startet Europas erste vollautomatische KWK-Großanlage

In Neuss hat E.on eine neue Ära der Energieversorgung eingeläutet. Doch hinter der glänzenden Fassade der KWK-Innovation verbergen sich strategische Interessen, industrielle Machtspiele – und offene Fragen.

E.on startet Europas erste vollautomatische KWK-Großanlage
91 % Brennstoffnutzung – aber mit Erdgas: E.on feiert technische Effizienz, doch der Löwenanteil des Brennstoffs bleibt fossil.

Eine Turbine für drei Gewinner?

Der DAX-Konzern E.on inszeniert seine neue KWK-Großanlage in Neuss als Vorzeigemodell für nachhaltige Energieversorgung. Tatsächlich erreicht das Kraftwerk mit 91 Prozent Brennstoffnutzungsgrad eine technische Bestmarke.

Dazu kommt: Das System ist wasserstofffähig – ein klares Signal Richtung Zukunft. Doch die offizielle Darstellung als „Win-Win-Win-Situation“ wirft Fragen auf. Wer gewinnt wirklich – und wer zahlt am Ende?

Quelle: Eulerpool

Mayr-Melnhof als strategischer Partner

Standort der Anlage ist das Werksgelände des Kartonproduzenten Mayr-Melnhof, einem Spezialisten für Recyclingkarton. Die Österreicher fahren jährlich rund 400.000 Tonnen Output, primär für Verpackungszwecke.

Für sie ist das neue Kraftwerk ein Glücksfall: Es liefert nicht nur Strom, sondern gleichzeitig Prozesswärme – ein klassischer Anwendungsfall der Kraft-Wärme-Kopplung.

Für E.on wiederum ist das Projekt ein Showcase, mit dem sich der Konzern als Dekarbonisierungspartner der Industrie inszenieren kann. Wer hier wem zuarbeitet, ist weniger eindeutig, als es scheint.

Das Projekt als Markt-Test

KWK ist kein neues Konzept – im Gegenteil: Die Idee, Strom und Wärme gemeinsam zu erzeugen, reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Neu ist die Marktlogik.

Die Anlage in Neuss ist erstmals vollständig automatisiert und „marktorientiert“ steuerbar – das bedeutet: Sie fährt je nach Strompreis am Spotmarkt hoch oder runter.

Das klingt effizient. Doch es bringt eine Abhängigkeit vom volatilen Strommarkt mit sich – und erhöht die Anforderungen an Netzstabilität und Datentechnik erheblich.

Wasserstofffähig, aber nicht wasserstoffbetrieben: Der aktuelle Anteil liegt bei maximal 10 %, grüner Wasserstoff ist weiterhin kaum verfügbar.

Wasserstoff: Hoffnungsträger mit vielen Sternchen

E.on hebt hervor, dass die Anlage bereits heute „wasserstofffähig“ sei – ein wohlplatzierter Zukunftsanker, der politisch wie medial gut zieht. Doch technisch ist das nur die halbe Wahrheit.

Aktuell liegt der Wasserstoffanteil im Brennstoffmix bei maximal zehn Prozent – der Rest ist weiterhin fossiles Erdgas.

Eine komplette Umrüstung wäre möglich, aber teuer. Zudem ist derzeit kaum grüner Wasserstoff verfügbar – und wenn, dann zu Preisen, die industrielle Betreiber ins Schwitzen bringen würden.

Kapitalmarkt profitiert – Klimabilanz bleibt offen

Die Börse feiert: Die E.on-Aktie legte am Tag der Ankündigung rund zwei Prozent zu – ein weiterer Schritt auf dem seit Jahresbeginn 37-prozentigen Kursanstieg. Auch 2G Energy, Hersteller von KWK-Modulen und bereits Teil des sogenannten Real-Depots, profitiert: Die Aktie hat seit März über 25 Prozent gewonnen.

Doch was kurzfristig als Anlagechance glänzt, wirft langfristig Fragen auf: Wie dauerhaft ist der Umstieg auf KWK, wenn Gas mittelfristig durch Strom aus Erneuerbaren verdrängt wird? Und wie grün ist eine Technologie, deren Effizienz zwar hoch, aber CO₂-Ausstoß nur perspektivisch reduziert ist?

Einzelprojekt oder Wegweiser?

Noch ist offen, ob das Neusser Modell Schule macht. E.on hofft auf Folgeaufträge – und der Industriezweig steht unter Druck, seine Emissionen zu senken.

Doch es braucht mehr als Leuchtturmprojekte: steuerliche Anreize, Versorgungssicherheit bei Wasserstoff, flexible Netztarife und eine industriepolitische Gesamtstrategie. Die Frage ist nicht, ob die Technologie funktioniert – sondern ob sie sich skaliert.

PR-Coup mit Potenzial – aber auch mit Risiken

E.on hat geliefert – technisch, strategisch und kommunikativ. Die neue KWK-Anlage ist ein Symbol für das, was möglich ist, wenn Industrie und Energieversorger kooperieren.

Doch wie bei vielen Pionierprojekten liegt der Teufel im Detail: Ohne stabile Rahmenbedingungen, klare Wirtschaftlichkeit und langfristige Versorgungssicherheit droht das Modell, ein Einzelfall zu bleiben.

Die wahre Win-Win-Win-Situation? Sie wird sich nicht auf dem Werksgelände von Neuss entscheiden – sondern in Brüssel, Berlin und bei den Energiepreisen der nächsten Jahre.

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