Thesaurierend ist nicht immer klüger
Im Finanzjargon klingen thesaurierende Fonds wie die mathematisch überlegene Variante: Keine Ausschüttung, kein Papierkram, mehr Zinseszinseffekt. Doch was viele Privatanleger übersehen: Der steuerliche Vorteil dieser Fonds ist in bestimmten Fällen ein Trugschluss.
Wer sich ausschließlich auf thesaurierende ETFs verlässt, verschenkt möglicherweise Jahr für Jahr die Chance, den Sparerpauschbetrag effektiv zu nutzen – und zahlt am Ende unnötig viel Steuern.
Der Pauschbetrag als Steuerhebel
Seit 2009 gilt in Deutschland eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge – ergänzt durch Soli und gegebenenfalls Kirchensteuer. Damit sind 26,375 Prozent oder mehr fällig, sobald Zinsen, Dividenden oder Kursgewinne anfallen.
Doch der Gesetzgeber räumt jedem Steuerpflichtigen einen Freibetrag ein: 1.000 € pro Person, 2.000 € für Ehepaare. Solange Kapitalerträge darunter bleiben, greift keine Besteuerung.
Das Problem: Wer ausschließlich in thesaurierende Fonds investiert, erhält keine Ausschüttung. Die Erträge fließen ins Fondsvermögen zurück – steuerlich unsichtbar, bis Anteile verkauft werden. Und genau dann knallt die Steuerkeule.

Das Fallbeispiel mit der versteckten Steuerfalle
Ein Rechenbeispiel zeigt, wie stark sich der Unterschied auswirken kann:
Ein Anleger investiert in einen thesaurierenden ETF, der jedes Jahr Dividenden in Höhe von 1.000 € erwirtschaftet.
Diese werden jährlich reinvestiert, also nicht ausgeschüttet. Nach zehn Jahren hat sich das Fondsvermögen um 10.000 € erhöht – angenommen, der Kurs bleibt konstant. Beim Verkauf werden diese 10.000 € dann steuerlich als Kapitalertrag gewertet.
Der Pauschbetrag von 1.000 € wird einmalig abgezogen, auf die verbleibenden 9.000 € fällt Abgeltungsteuer an. Ergebnis: Über 2.370 € fließen direkt ans Finanzamt.
Hätte der Anleger stattdessen auf einen ausschüttenden ETF gesetzt, der jedes Jahr 1.000 € Dividende zahlt, hätte er jährlich seinen Pauschbetrag ausgeschöpft – und gar keine Steuer auf diese Erträge gezahlt. Die zehn Jahre hätten steuerfrei bleiben können.
Die kluge Mischung bringt’s
Der clevere Anleger kombiniert deshalb beide Welten: Thesaurierende ETFs für den Zinseszinseffekt – und ein gezielt gewählter ausschüttender Fonds, dessen jährliche Dividende den Sparerfreibetrag exakt ausreizt. So landen steuerlich verwertbare Erträge jedes Jahr dort, wo sie steuerfrei bleiben – im eigenen Portemonnaie.

„Wer Jahr für Jahr seine Freibeträge nicht nutzt, verschenkt bares Geld,“ sagt Steuerberaterin Jutta Kellner aus München. „Gerade bei höheren Anlagebeträgen kann die Kombination von Ausschüttung und Thesaurierung langfristig fünfstellige Beträge ausmachen.“
Ein unterschätzter Steuerhebel
Das Problem: Die wenigsten Banken oder Robo-Advisor weisen Anleger aktiv auf diese Gestaltungsmöglichkeit hin. Sie bieten Standardportfolios – meist stark thesaurierend. Und auch viele ETF-Einsteiger sind auf Kostenquoten und Kursschwankungen fixiert, weniger auf Steuerstrukturen.
„Es gibt kaum ein Thema, bei dem so viele Anleger am Finanzamt vorbeilaufen wie beim Pauschbetrag“, so Kellner. „Dabei ist er einer der wenigen legalen Hebel zur Steueroptimierung für Kleinanleger.“
Vorsicht vor Detailfallen
Natürlich funktioniert der Trick nicht beliebig: Wer mit Dividenden den Pauschbetrag übersteigt, muss ab dann zahlen – auch bei ausschüttenden Fonds. Und wer gleichzeitig andere Kapitalerträge hat – etwa aus Zinsen oder realisierten Gewinnen –, sollte diese mit einbeziehen.
Ein Freistellungsauftrag muss außerdem bei der depotführenden Bank korrekt eingerichtet sein, sonst läuft der Vorteil ins Leere.
Auch wichtig: Die Kombination lohnt sich vor allem bei Buy-and-Hold-Strategien. Wer regelmäßig Fondsanteile verkauft oder umschichtet, hat eine andere Steuerlogik – und sollte separat planen.
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