Pünktlichkeit auf Talfahrt
Noch 2004 waren mehr als 84 Prozent der Fernzüge pünktlich. Heute liegt die Quote bei gerade einmal 56 Prozent – und das bei einer großzügigeren Sechs-Minuten-Regel. Im europäischen Vergleich landet Deutschland auf dem letzten Platz, während die Schweiz selbst bei strenger Dreiminuten-Regel über 90 Prozent erreicht.
Ein Netz ohne Reserven
„Das Netz ist zu voll, zu alt und zu kaputt“, räumt Bahn-Infrastrukturchef Berthold Huber ein. Fehlende Ersatzzüge und zu wenig Personal machen das System anfällig für Kettenreaktionen.
Ein ausgefallener Zug zieht Verspätungen im ganzen Land nach sich. In der Schweiz dagegen fängt ein eng getaktetes System Störungen ab – notfalls mit Ersatzzügen.
Der Fehler von 1994
Mit der Bahnreform wurden Bundesbahn und Reichsbahn zur privatrechtlichen AG verschmolzen. Die Politik setzte auf Gewinne und einen Börsengang – eine Illusion. Sparzwang dominierte, Infrastruktur litt.
Weichen, Stellwerke und Gleise verfielen. Was als Modernisierung gedacht war, entwickelte sich zum strukturellen Konstruktionsfehler.

Schweiz als Gegenmodell
Während in Deutschland Investitionen von der Bahn selbst mitfinanziert werden müssen und regelmäßig Rechtsstreitigkeiten folgen, übernimmt in der Schweiz der Bund sämtliche Kosten.
Leistungsvereinbarungen schreiben verbindlich fest, wo investiert wird. Streit zwischen Bahn und Politik? Undenkbar. Der Service public hat Vorrang vor Rendite.
Folgen für den Nachbarn
Die Schweizer SBB bekommen die deutsche Misere täglich zu spüren. Jeder fünfte Zug aus Deutschland kommt mit Verspätung an und wird an der Grenze notfalls gestoppt, um das Schweizer Taktfahrplan-System nicht zu gefährden. Für Reisende bedeutet das Umsteigen und Zeitverlust – die Geduld beim Nachbarn schwindet.
Hoffnung auf Milliarden
Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat Investitionen von 107 Milliarden Euro bis 2029 zugesagt. Doch schon jetzt sind die Kosten höher als geplant, der Zeitrahmen wackelt. Experten wie der Schweizer Bahnmanager Peter Füglistaler mahnen: Ohne Geduld und deutlich mehr Geld bleibt die Bahn ein Dauerpatient.
Das könnte Sie auch interessieren:
