27. Juli, 2024

Pharma

Deutschland im Antibiotika-Dilemma: Kleinkinder erhalten häufig Breitbandmedikamente

Deutschland im Antibiotika-Dilemma: Kleinkinder erhalten häufig Breitbandmedikamente

In der deutschen Kindermedizin herrscht eine auffällig hohe Neigung zur Verschreibung von Breitbandantibiotika, eine Praxis, die von Experten zunehmend kritisiert wird. Laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie erhalten rund 40 Prozent der Kleinkinder in Deutschland bei ihrer ersten ambulanten Antibiotikabehandlung Breitbandmedikamente - ein im europäischen Vergleich ungewöhnlich hoher Wert. Im direkten Vergleich ist Dänemark mit nur 6 Prozent weit zurückhaltender mit solchen Verschreibungen, was Fragen nach den Ursachen dieses deutlichen Unterschieds aufwirft.

Ulrike Haug, Professorin und Abteilungsleiterin für Klinische Epidemiologie am Bremer Institut, weist darauf hin, dass medizinische Gründe für diese große Diskrepanz zwischen den Ländern unwahrscheinlich sind. Die Verschreibungsgewohnheiten scheinen die Ursache für den überdurchschnittlichen Einsatz von Breitbandantibiotika in Deutschland zu sein.

Oliver Scholle, Erstautor der Studie, betont die problematische Natur dieser Praxis. Er weist darauf hin, dass der unnötige Einsatz von Breitbandantibiotika nicht nur die Entstehung resistenter Bakterienstämme fördert, sondern auch das Gleichgewicht der nützlichen Bakterien im Körper stören kann, was zu mehr Nebenwirkungen insbesondere im Magen-Darm-Trakt führen kann.

Obwohl deutsche Ärzte bei der generellen Verschreibung von Antibiotika im Vergleich zu ihren dänischen Kollegen zurückhaltender zu sein scheinen – die deutschen Kinder erhalten später und weniger häufig Antibiotika –, bleibt der hohe Anteil an Breitbandantibiotika ein besorgniserregender Aspekt. Die Auswertung von Gesundheitsdatensätzen aus Dänemark und Krankenkasseninformationen aus Deutschland zeigt dies deutlich. Trotzdem gibt es laut der in 'Infectious Diseases and Therapy' veröffentlichten Studie in beiden Ländern positive Entwicklungen bei den Verschreibungen bis zum Jahr 2016: Das Alter bei Erstverschreibungen nimmt zu, und die Frequenz der Verschreibungen nimmt ab.

Die Studie, die gemeinsam von Wissenschaftlern des Bremer Leibniz-Instituts und der Süddänischen Universität in Odense durchgeführt wurde, verdeutlicht somit die Notwendigkeit, die Verwendung von Antibiotika in Deutschland und Dänemark weiter zu optimieren, um langfristig sowohl die öffentliche Gesundheit als auch die Effektivität dieser Medikamente zu bewahren.