Rückzahlung mit Widerwillen
Es ist ein Satz im Geschäftsbericht, der aufhorchen lässt – und ein Zahlungsbeleg, der viel mehr sagt als eine Pressemitteilung: Die Deka, Fondstochter der deutschen Sparkassen, hat rund 500 Millionen Euro an das Finanzamt überwiesen.
Grund: nicht anerkannte Steueranrechnungen im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Cum-Geschäften aus den Jahren 2013 bis 2018.
Die Deka widerspricht – hat jedoch gezahlt.
„Einspruch eingelegt, aber fristgerecht beglichen“, wie es nüchtern heißt.
Dass ein Institut in dieser Größenordnung eine halbe Milliarde Euro überweist, obwohl es juristisch noch nicht zur Zahlung verpflichtet ist, zeigt: Das Risiko ist real – und der öffentliche Druck hoch.
Cum-Cum – der diskrete Bruder des Cum-Ex
Im Schatten des medial dominanten Cum-Ex-Skandals führte sein kleiner Bruder Cum-Cum lange Zeit ein Schattendasein. Doch der Schaden ist womöglich größer.
Bei Cum-Cum-Geschäften geht es um steueroptimierte Aktientransaktionen rund um den Dividendenstichtag – mit dem Ziel, Kapitalertragsteuern mehrfach anrechnen zu lassen, obwohl sie nur einmal gezahlt wurden.
Der Bundesfinanzhof hat diese Konstruktion bereits 2015 als unzulässig eingestuft. Dennoch dauerte es Jahre, bis Finanzbehörden begannen, systematisch Rückforderungen zu stellen. Die Deka ist nicht das einzige Institut, das betroffen ist – aber mit ihrer Zahlung nun das prominenteste.
28 Milliarden Euro – ein gigantisches Loch
Nach Berechnungen des Mannheimer Steuerexperten Christoph Spengel belaufen sich die geschätzten Steuerausfälle durch Cum-Cum-Transaktionen auf rund 28,5 Milliarden Euro. Eine Summe, die das Ausmaß von Cum-Ex (rund 10 Milliarden) deutlich übertrifft – und dabei deutlich weniger juristische Aufmerksamkeit erhalten hat.
Laut Bafin haben 54 Institute gegenüber der Finanzaufsicht eingeräumt, an Cum-Cum-Geschäften beteiligt gewesen zu sein. Die Rückforderungen summieren sich auf mindestens 4,6 Milliarden Euro – bislang ist davon nur ein Bruchteil zurückgeflossen.

Die Aufarbeitung: spät, zäh – und lückenhaft
Erst im März 2025 wurde zum ersten Mal überhaupt Anklage in einem Cum-Cum-Verfahren in Deutschland zugelassen. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte bereits 2022 Geschäftsräume der Deka durchsucht – sowie Wohnungen von acht Beschuldigten.
Doch wie bei Cum-Ex droht auch hier: Das eigentliche Ausmaß wird Jahre brauchen, um sichtbar zu werden – wenn überhaupt.
Die Bürgerbewegung Finanzwende kritisiert seit langem, dass die Ermittlungen stocken. Dass wichtige Fristen verjähren könnten. Und dass viele der damals Beteiligten noch heute in der Branche tätig sind – oder längst aus der Verantwortung verschwunden.
Deka zahlt – aber schweigt
Die Deka betont, sie halte die Steuerforderungen weiterhin für unberechtigt. Gleichzeitig zahlt sie – um Säumnisfolgen zu vermeiden, wie es heißt. Die Strategie ist kalkuliert: durch Zahlen Rechtssicherheit gewinnen und den Imageschaden begrenzen. Doch juristisch ist der Fall nicht abgeschlossen – und reputativ erst recht nicht.
Die Sparkassen-Gruppe, die gern mit Werten wie Verantwortung und Gemeinwohl wirbt, hat jetzt ein Problem. Der Skandal, den man in den Cum-Ex-Jahren vor allem den „anderen“ zuschrieb – angelsächsischen Fonds, ausländischen Banken, riskanten Hedgefonds – ist nun ganz nah. In der eigenen Familie.
Ein Skandal zweiter Klasse?
Warum dauerte es bei Cum-Cum so lange, bis die Justiz reagierte? Warum wurden Rückzahlungen jahrelang nicht eingefordert, obwohl höchstrichterlich geklärt war, dass das Modell unzulässig ist? Die politisch unbequeme Antwort: Cum-Cum war kein exklusives Problem dubioser Offshore-Fonds. Es war auch ein Problem öffentlich-rechtlicher Institute, deutscher Banken – und damit ein Systemproblem.
Dass nun die Deka zahlt, ist mehr als ein buchhalterischer Vorgang. Es ist ein Signal. Und eine späte Erinnerung daran, dass Steuervermeidung auf Kosten der Allgemeinheit keine Marginalie ist, sondern ein Angriff auf das Prinzip von Fairness – egal, wie elegant das Konstrukt heißt.
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