Daimler Truck verkuppelt Fuso mit Toyota – und zieht sich zurück
Mit dem Verlust der Mehrheit an Fuso gibt Daimler Truck das letzte große Überbleibsel aus der Ära Schrempp auf – die global gedachte Welt AG ist endgültig Geschichte.

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Daimler Truck verkuppelt Fuso mit Toyota – und zieht sich zurück

Daimler Truck fusioniert seine Tochter Fuso mit Toyotas Lkw-Marke Hino. Das neue Joint Venture soll den asiatischen Markt aufmischen – und markiert das endgültige Ende einer alten Vision von Weltherrschaft auf Rädern.

Die Zeit der Welt AG ist vorbei – still, aber unmissverständlich. Während in Tokio die Börsenwelt auf das neue Lkw-Bündnis zwischen Mitsubishi Fuso und Hino blickt, verschwindet leise ein Stück Daimler-Historie.

Was einst Jürgen Schrempps globaler Traum war – eine transkontinentale Allianz mit Daimler, Chrysler und Mitsubishi – endet nun mit einer Fusion, in der Daimler Truck zwar noch 25 Prozent hält, aber die Kontrolle endgültig abgibt.

Fuso + Hino = Tokios neue Lkw-Allianz

Daimler Truck und Toyota machen gemeinsame Sache. Ihre jeweiligen Nutzfahrzeugmarken Fuso (eine frühere Mitsubishi-Tochter) und Hino (ein langjähriger Arm Toyotas) werden in einer neuen Holding verschmolzen, die ab April 2026 in Tokio börsennotiert sein soll.

Jeweils ein Viertel der Anteile verbleibt bei den Mutterkonzernen – der Rest soll an die Börse gehen. Den Vorsitz übernimmt Karl Deppen, Daimlers Asienchef – ein Mann mit Format und interkulturellem Spagatpotenzial.

Das fusionierte Unternehmen aus Hino und Fuso beschäftigt künftig rund 40.000 Mitarbeitende – ein Schwergewicht, das den asiatischen Markt neu sortieren dürfte.

Rådström, die aktuelle Chefin von Daimler Truck, nennt die Fusion einen „wichtigen Schritt zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs“. In der Tat geht es nicht nur um Marktanteile und Synergien – sondern vor allem um die gemeinsame Entwicklung emissionsarmer Antriebstechnologien.

In der Logik beider Konzerne sind nur durch Zusammenarbeit die gewaltigen Investitionen in Brennstoffzelle, Batterie und E-Achse zu stemmen. Über 40.000 Mitarbeitende werden in dem neuen Unternehmen arbeiten – und versuchen, Asiens Nutzfahrzeugmarkt neu zu ordnen.

Die Kraft hinter dem Kranich

Begonnen hatte alles mit einem symbolträchtigen Besuch: 2023 war der damalige Daimler-Truck-Chef Martin Daum zu Toyota gereist, wurde mit Kranichen empfangen – gefaltet aus Folie, wie sie sonst in Brennstoffzellen zum Einsatz kommt. Es war ein Zeichen, das tiefer reichte als bloße Folklore.

Der Kranich steht in Japan für Loyalität, Treue und Glück. Und genau das konnten beide Seiten gebrauchen.

Denn Toyotas Tochter Hino hatte mit einem Dieselskandal zu kämpfen, der das Vertrauen erschüttert hatte – insbesondere auf dem US-Markt. Daimler wollte sicherstellen, dass dieser Ballast nicht mitschwingt.

Für den Deal war juristische Absicherung also ebenso entscheidend wie strategische Vision. Als auch Aufsichtsratschef Joe Kaeser grünes Licht gab, war der Weg frei.

Ein Abschied ohne Paukenschlag

Mit dem Deal endet ein Kapitel. In den späten 1990er Jahren hatte Daimler unter Schrempp Mitsubishi und Chrysler unter ein Dach bringen wollen – der Versuch einer Welt AG.

Heute existieren Chrysler und Daimler längst getrennt, und mit der Abgabe der Mehrheit an Fuso verabschiedet sich Daimler Truck auch vom letzten Überbleibsel dieses ehrgeizigen Plans. Ein Abgesang auf leisen Sohlen – aber einer mit Symbolkraft.

Die heutige Daimler-Führung hat aus der Vergangenheit gelernt. Statt auf Alleingänge setzt sie auf Allianzen. Statt Weltmachtfantasien auf Integrationsfähigkeit. Rådström und Deppen verkörpern diese neue Nüchternheit.

Kein Pathos, keine Euphorie – sondern ein strategischer Schachzug mit klarer Rollenverteilung. Daimler Truck bleibt beteiligt, aber ohne Führungsanspruch.

Toyota und Daimler Truck halten jeweils nur 25 Prozent an der neuen Holding – das operative Steuer übernehmen künftig japanische Strukturen und Karl Deppen als CEO.

Asiens Markt unter Strom

Dass dieser Schritt notwendig war, liegt auf der Hand. Der asiatische Nutzfahrzeugmarkt ist riesig – aber auch umkämpft. Lokale Anbieter, regulatorische Unterschiede und technologische Hürden machen ihn zu einem Flickenteppich.

Wer hier bestehen will, braucht Größe und lokale Verankerung. Die Fusion von Hino und Fuso bringt beides mit – und schafft ein Unternehmen, das zumindest auf dem Papier alle Voraussetzungen mitbringt, um den Umbau des Schwerlastverkehrs in Asien mitzugestalten.

Doch der Weg wird nicht leicht. Während Hino traditionell tief im japanischen Binnenmarkt verwurzelt ist, bringt Fuso eher internationale Perspektive mit. Unterschiedliche Unternehmenskulturen, unterschiedliche Führungsstile – Karl Deppen muss mehr als ein Lkw-Geschäft zusammenführen.

Er muss eine Allianz schmieden, die auch menschlich funktioniert. Dass sein Name schon länger als möglicher CEO von Daimler Truck im Gespräch war, zeigt: Er bringt das nötige Standing mit.

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