Der nächste Schritt in der Machtübernahme
Die Zeit der Andeutungen ist vorbei: Unicredit will nicht mehr nur stiller Teilhaber bei der Commerzbank sein – sie will mitreden. Und mitverdienen. Spätestens ab 2026 sollen die Gewinne des Frankfurter Instituts in der Bilanz des italienischen Konzerns auftauchen.
Der Weg dorthin führt über eine Beteiligungsschwelle von 20 Prozent – ein Wert, den Unicredit laut eigenen Angaben mit Derivaten und Aktienkäufen schon bald überschreiten dürfte.
Was für Außenstehende wie ein buchhalterischer Vorgang wirkt, ist in Wahrheit ein strategischer Dammbruch: Die Commerzbank wird bilanziell Teil der Unicredit-Gruppe – ohne dass ein klassischer Merger vollzogen wurde.
Ein Zahlenwerk mit politischen Folgen
Dass Unicredit dabei nicht bloß rechnet, sondern kalkuliert, zeigt der Rückzug aus der geplanten Übernahme der Banco BPM. Der Deal war 14,6 Milliarden Euro schwer – und galt bis vor wenigen Wochen als zentrales Projekt von CEO Andrea Orcel. Doch der Italiener hat seine Pläne umgesteckt. Sein Fokus liegt jetzt eindeutig auf Deutschland.
In der Ergebnispräsentation ließ Unicredit keinen Zweifel: Die Beteiligung an der Commerzbank soll konsolidiert werden, die Gewinne in Mailand ankommen.
Die Bilanzsumme der Commerzbank – immerhin rund 500 Milliarden Euro – dürfte Unicredit damit ab kommendem Jahr in Teilen zugerechnet werden. Analysten erwarten, dass sich das operative Ergebnis von Unicredit dadurch um mehrere Hundert Millionen Euro jährlich verbessert.

Equity-Methode: Die stille Macht
Der Hebel, den Unicredit nutzt, ist die sogenannte Equity-Methode: Wer mehr als 20 Prozent eines Unternehmens hält, darf es bilanziell einbeziehen – und beeinflussen.
Bei 29 Prozent, wie von Unicredit angestrebt, wird daraus eine Sperrminorität. Das heißt: Entscheidungen, die eine qualifizierte Mehrheit verlangen – etwa Satzungsänderungen oder Kapitalerhöhungen – können künftig ohne Orcels Zustimmung nicht mehr getroffen werden.
Volker Brühl vom Center for Financial Studies in Frankfurt nennt das „einen strategischen Gamechanger“. Die Commerzbank verliere damit wesentliche Teile ihrer Eigenständigkeit – ohne dass eine formale Übernahme stattgefunden habe. Brühl: „Es ist eine Art feindliche Integration durch die Hintertür.“
Commerzbank als Spielball europäischer Großambitionen
Für Orcel ist der Schritt nach Deutschland mehr als eine Expansionsstrategie. Es ist der Versuch, Unicredit als paneuropäischen Banken-Champion neu zu positionieren – als Gegenmodell zur französisch dominierten Großbankenszene um BNP Paribas und Crédit Agricole. Die Commerzbank, mit über 11 Millionen Privatkunden und starkem Mittelstandsgeschäft, ist für Orcels Ambition ein idealer Anker.
Gleichzeitig ist es ein Angriff auf das Selbstverständnis deutscher Bankenpolitik: Die Commerzbank war über Jahre halbstaatlich, galt als „systemrelevant“. Nun steht sie faktisch unter der Kontrolle eines ausländischen Finanzkonzerns.
Und zwar nicht irgendeines, sondern eines Instituts, das durch aggressive Renditeziele auffällt: Unicredit plant, zwischen 2025 und 2027 mindestens 30 Milliarden Euro an Aktionäre auszuschütten, die Hälfte davon in Dividenden.
Was bleibt der Commerzbank noch?
Mit einer Sperrminorität in der Hinterhand könnte Unicredit künftig sämtliche Fusionsgespräche der Commerzbank blockieren – etwa mit der Deutschen Bank, Santander oder einem Techplayer.
Ohne Orcels Zustimmung wird keine größere Transaktion mehr möglich sein. Damit rückt Unicredit als einziger möglicher Fusionspartner in eine Monopolstellung.
Für den deutschen Bankenmarkt ist das ein sensibles Szenario. Noch hat der Gesetzgeber keine Handhabe gegen diese Art der „konsolidierenden Beteiligung“ – auch die Finanzaufsicht BaFin reagiert bislang zurückhaltend. Doch je stärker sich Unicredit festsetzt, desto schwieriger wird es, den Einfluss wieder zurückzudrehen.
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