Der Schock kam am Freitag – und saß tief. Die Aktie von Coinbase knickte um über 15 Prozent ein, ausgelöst durch Zahlen, die mehr Fragen als Antworten lieferten: Umsätze runter, Handelsvolumen schwächer, Transaktionserlöse im freien Fall.
Doch während der Markt in Panik reagierte, sehen große Analystenhäuser hinter dem Rücksetzer vor allem eines: eine verpasste Gelegenheit – oder eine goldene Einstiegschance.
Quartalszahlen enttäuschen – zumindest auf den ersten Blick
Mit einem Umsatzrückgang von 26 % und einem Einbruch der Transaktionserlöse um 39 % gegenüber dem Vorquartal wirkte das zweite Quartal wie ein Rückschritt – trotz eines beachtlichen Nettogewinns von 1,43 Milliarden Dollar. Für viele Investoren war das zu wenig: Sie straften die Aktie ab.
Doch das Zahlenwerk allein greift zu kurz. Der Markt bewertete vor allem die operative Entwicklung negativ, obwohl Coinbase strukturell stärker dasteht als viele Krypto-Mitbewerber.
Dass ein Quartalsbericht in einem volatilen Umfeld wie dem Krypto-Markt schwankt, überrascht wenig – dass ein Unternehmen wie Coinbase damit stabilen Profit erwirtschaftet, hingegen schon.
Analysten: „Ablenkung vom Wesentlichen“
Insbesondere das US-Analysehaus Benchmark widerspricht der negativen Marktreaktion deutlich. Die Kennzahlen seien zwar schwach, aber „nicht mehr als ein Störgeräusch“, meint Analyst Mark Palmer. Viel entscheidender sei die langfristige Perspektive – und die halte Coinbase klar auf Kurs.
Palmer verweist auf mehrere strukturelle Entwicklungen: Coinbase arbeite zielgerichtet daran, ein vollumfängliches Krypto-Ökosystem zu etablieren – weit über den Handel hinaus. Die „Kaufen“-Einstufung wird deshalb bekräftigt. Das Kursziel: 421 Dollar – rund 32 % über dem aktuellen Niveau.
Der größte Hebel: Stablecoins und die Super-App
Ein Pfeiler dieser optimistischen Sicht ist die Kooperation mit Circle, dem Herausgeber des USDC-Stablecoins. Coinbase verdient über mehrere Kanäle am Wachstum des Stablecoin-Marktes mit. Mit Blick auf die anstehenden US-Regulierungen im Krypto-Sektor könnte gerade dieses Segment künftig deutlich an Fahrt aufnehmen.

Zweiter Hoffnungsträger: eine Krypto-Super-App, die Wallet, Zahlungen, DeFi, NFT-Plattform und Entwicklerzugang auf einer einzigen Benutzeroberfläche bündelt. Ziel ist eine Art „Meta-Plattform“ für Blockchain-Finanzdienstleistungen – ähnlich wie Amazon in der Konsumwelt oder Apple im App-Ökosystem.
„Amazon der Kryptos“ – nur PR-Floskel oder echte Vision?
Das Analysehaus Bernstein vergleicht Coinbase offen mit Amazon. Der Anspruch: Nicht nur Marktplatz sein, sondern die Infrastruktur für eine ganze Industrie liefern. Diese Idee trägt – zumindest theoretisch.
Praktisch muss Coinbase diesen Anspruch erst noch beweisen. Noch ist das Handelsvolumen stark abhängig vom allgemeinen Kryptohype. Auch die regulatorischen Fronten in den USA sind weiter offen. Das Justizministerium, die SEC und politische Kräfte beobachten die Plattform mit Argusaugen. Hier könnten sich Chancen und Risiken gleichermaßen auftun.
Zwischen Ambition und Abhängigkeit
Die langfristige Strategie von Coinbase ist klar: Weg vom zyklischen Brokergeschäft – hin zu einer breit aufgestellten Plattform, die auch in ruhigen Marktphasen Erträge liefert. Genau hier sehen viele Analysten das größte Potenzial – und zugleich die größte Herausforderung.
Denn die Abhängigkeit vom Bitcoin-Sentiment ist nicht verschwunden. Schwächelt der Markt, trifft es auch Coinbase. Erst wenn Einnahmen aus Bereichen wie Stablecoin-Zinsen, Infrastruktur-Diensten oder Entwickler-Support die Handelsumsätze überwiegen, kann Coinbase als wirklich diversifizierter Technologiekonzern gelten – und sich vielleicht sogar mit Amazon messen lassen.
Anleger bleiben vorsichtig – zu Recht?
Der aktuelle Kursrutsch spiegelt nicht nur die Enttäuschung über Zahlen wider, sondern auch die Unsicherheit über das Tempo des Umbaus. Selbst überzeugte Analysten sehen die Aktie kurzfristig eher als volatil – das Chance-Risiko-Verhältnis ist derzeit vor allem für risikofreudige Investoren attraktiv.
Für langfristige Investoren bleibt Coinbase ein Spiel auf die Zukunft der Blockchain-Ökonomie – mit allen Risiken, aber auch einer Vision, die in dieser Form nur wenige verfolgen. Der Vergleich mit Amazon ist gewagt, aber nicht aus der Luft gegriffen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Und jeder Quartalsbericht bleibt ein Prüfstein.
Das könnte Sie auch interessieren:
