Der Hype trägt – (noch)
Palantir wächst. Satte 48 Prozent Umsatzplus, ein verdreifachter Gewinn und ein neuer Mega-Deal mit dem US-Militär: Das zweite Quartal 2025 war für das umstrittene Datenanalyse-Unternehmen ein voller Erfolg. Analysten hatten deutlich weniger erwartet – die Aktie sprang nachbörslich fünf Prozent. Für die Fangemeinde ist klar: Hier entsteht der nächste große Tech-Gigant.
Und doch steht über all dem ein Fragezeichen – oder besser: eine ganze Batterie davon.
Eine Bewertung wie aus einem anderen Universum
375 Milliarden Dollar Börsenwert bei nur 2,9 Milliarden Jahresumsatz im Vorjahr – das ergibt ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 131. Und ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 811. Selbst mit Blick auf die deutlich gestiegene Profitabilität in diesem Jahr bleibt das Bewertungsniveau extrem: Das Forward-KGV für 2025 liegt bei etwa 440 – während der gesamte Nasdaq-Index mit einem Schnitt von rund 30 bewertet wird.
Die Frage ist nicht, ob Palantir gut läuft. Sondern: Ob es jemals gut genug laufen kann, um diese Bewertung zu rechtfertigen.
Undurchsichtiges Geschäftsmodell trifft Sicherheitsbehörden
Palantir verdient sein Geld vor allem mit Regierungen und Sicherheitsdiensten – vom US-Verteidigungsministerium bis zu deutschen Landeskriminalämtern. Die Software verspricht, aus Daten Mustern zu erkennen, Risiken zu berechnen, Entscheidungen zu erleichtern. Worin genau die „Magie“ besteht, bleibt allerdings unklar – die Verträge sind geheim, die Ergebnisse nicht öffentlich.
Wer investiert, muss also glauben. An das Produkt. An die Kundenbindung. Und an eine technologische Überlegenheit, die sich derzeit noch schwer belegen lässt.
Mehr Personal, weniger Skalierung
Ob Palantir das Zeug zur Weltmacht hat, hängt auch davon ab, ob sich das Geschäftsmodell skalieren lässt. Und hier wird es kompliziert: Anders als klassische Softwarekonzerne kann Palantir seine Anwendungen nicht einfach im Abo verkaufen. Die Systeme werden oft hochgradig auf einzelne Kunden zugeschnitten – inklusive Supportteams und laufender Betreuung.

Das ist teuer. Und es limitiert das Wachstum. Auch 2025 soll der Umsatz "nur" um 36 Prozent steigen – solide, aber kein Turbo. Dass Palantir trotzdem der wertvollste reine Softwarekonzern der Welt ist, wirft Fragen auf.
Moralische Risiken: KI im Dienst des Militärs
Der neue Großauftrag mit dem US-Militär – bis zu zehn Milliarden Dollar – freut Aktionäre. Doch die Nähe zu Armee und Sicherheitsbehörden birgt nicht nur ethische Fallstricke, sondern auch politische. Was, wenn sich Regierungen von einem privaten Anbieter abhängig machen? Was, wenn ein Regierungswechsel zu einer Neuausrichtung führt? Und wie viel Macht bekommt ein Unternehmen, das künstliche Intelligenz für Kriegsentscheidungen bereitstellt?
Gründer Alex Karp, enger Vertrauter des ehemaligen US-Präsidenten Trump, inszeniert sich gerne als intellektueller Querdenker. Doch seine Firma ist längst Teil des sicherheitspolitischen Establishments – und damit ebenso angreifbar wie unersetzlich.
Tech-Mythen und die Suche nach der nächsten Nvidia
Der Aufstieg Palantirs folgt einer vertrauten Börsenerzählung: Ein ungreifbares Geschäftsmodell, ein visionärer CEO, ein wenig Weltverschwörung – und ganz viel Hoffnung auf exponentielles Wachstum. Anleger, die bei Nvidia oder Tesla zu früh ausgestiegen sind, wollen diesmal von Anfang an dabei sein.
Vielleicht klappt es. Vielleicht wird Palantir das Betriebssystem für die Sicherheitsinfrastruktur der Zukunft. Vielleicht ist die Aktie heute teuer – und morgen billig. Doch wer investiert, muss wissen: Das ist kein solides Tech-Investment mit absehbaren Multiples. Das ist eine Wette. Auf Daten. Auf Vertrauen. Und auf einen CEO, der mehr Philosophie-Papiere als Produktdemos veröffentlicht.
Zwischen Genie und Glaube
Es gibt zwei Arten von Tech-Aktien: Die, deren Erfolg man versteht – und die, an die man glaubt. Palantir gehört zur zweiten Kategorie. Die Quartalszahlen liefern gutes Futter für die Gläubigen. Doch was bleibt, wenn die KI-Welle sich abkühlt?
Palantir hat das Potenzial, Geschichte zu schreiben. Oder ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte der überbewerteten Hoffnungstitel zu werden. Zwischen Hype und Substanz ist manchmal nur ein Quartal Abstand.
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