Ein Start-up zwischen Erfolg und Déjà-vu
Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, selbst in der schnelllebigen Welt der Cybersecurity: Keyless, das Londoner Fintech für biometrische Authentifizierung, wird schon zum zweiten Mal verkauft. Gründer Fabian Eberle, ein Deutscher, der das Start-up 2019 mit Paolo Gasti und Andrea Carmignani gegründet hatte, steht wieder an der Spitze einer Übernahme – diesmal durch den US-Identitätsmanager Ping Identity aus Denver.
Der Deal ist unter Dach und Fach, die Behörden müssen noch zustimmen. Über den Kaufpreis schweigen beide Seiten. Für Eberle ist es eine zweite Chance – und möglicherweise die letzte, um seine Vision von passwortfreier Sicherheit global zu etablieren.
Der Fingerabdruck des digitalen Zeitalters
Keyless hat sich auf biometrische Authentifizierung spezialisiert – also auf das, was Passwörter überflüssig machen soll. Nutzer loggen sich durch einen kurzen Blick in die Smartphone-Kamera ein. Die KI im Hintergrund prüft, ob es sich wirklich um ein lebendes Gesicht handelt – oder um eine Deepfake-Imitation, ein Foto oder eine Maske. Das Besondere: Persönliche Daten werden nicht zentral gespeichert, was die Lösung auch datenschutzrechtlich attraktiv macht.
Die Technologie wird bereits bei Banken wie Intesa Sanpaolo, beim britischen Robo-Advisor Moneyfarm und beim Berliner Fintech N26 eingesetzt. In einer Zeit, in der Cyberangriffe und Phishing-Methoden immer raffinierter werden, verspricht Keyless eine Antwort auf die zentrale Schwachstelle der digitalen Welt – die Identität des Nutzers.
„Wir haben in den letzten zwölf Monaten mehrere Übernahmeangebote erhalten“, sagt Eberle. „Doch Ping ist der richtige Partner, um unser Produkt wirklich global zu machen.“
Zweiter Anlauf nach gescheitertem Exit
Der jetzige Verkauf ist nicht Eberles erster Versuch. Bereits 2021 wurde Keyless vom US-Unternehmen Sift übernommen, das auf Betrugsprävention spezialisiert ist. Die Idee: Sift wollte mithilfe der biometrischen Technologie in stärker regulierte Branchen wie Finanzen und Gesundheit vordringen.
Doch die Realität war ernüchternd. Die Synergien blieben aus, die Integration verlief holprig – zwei Jahre später stand die Trennung fest. Beide Firmen erklärten, ihre Produkte passten schlicht besser zu unterschiedlichen Märkten. Keyless wurde wieder eigenständig, sammelte frisches Kapital und stellte sich neu auf.
Jetzt also der nächste Versuch – mit einem strategischen Partner, der Eberles Technologie nicht nur integrieren, sondern skalieren will.

Ein Partner mit Macht und Kapital
Ping Identity ist kein Start-up mehr, sondern ein Schwergewicht. Das Unternehmen gilt als einer der führenden Anbieter im Bereich Identitäts- und Zugriffsmanagement – mit Lösungen für Single Sign-On, Multi-Faktor-Authentifizierung und Unternehmenssicherheit. Seit 2022 gehört Ping zur US-Investmentgesellschaft Thoma Bravo, die den Konzern für 2,8 Milliarden US-Dollar von der Börse nahm.
Damit verfügt Ping über die finanziellen Mittel, die Keyless bislang fehlten. Gemeinsam will man die biometrische Lösung in die bestehenden Produkte von Ping integrieren – und so Hunderten Großkunden weltweit zugänglich machen. Europa und die USA sollen dabei nur der Anfang sein.
Eberle selbst bleibt an Bord und soll die Sparte künftig innerhalb von Ping leiten. Für ihn ist das ein Zeichen von Vertrauen – und vielleicht die Chance, sein Produkt diesmal wirklich global zu verankern.
Kampf gegen Deepfakes und Identitätsdiebstahl
Der Zeitpunkt ist günstig. Die Zahl der Cyberattacken mit Deepfake-Technologien steigt rasant. Kriminelle nutzen KI-generierte Gesichter und Stimmen, um Identitäten zu fälschen – von gefälschten Videokonferenzen bis zu gestohlenen Bankzugängen. Unternehmen stehen unter wachsendem Druck, sichere und zugleich benutzerfreundliche Lösungen zu finden.
Keyless verspricht genau das: biometrische Sicherheit ohne Datenrisiko. Ein Versprechen, das in einer Welt, in der Datenschutz und Nutzerkomfort oft in Konflikt stehen, enorme Relevanz hat.

Risiko bleibt – doch die Chance ist größer
Ob der zweite Exit ein Happy End wird, ist offen. Die Integration in große US-Konzerne ist bekanntlich kein Selbstläufer – besonders für europäische Tech-Firmen mit eigenem Datenschutzverständnis. Und auch bei Ping ist noch unklar, wie stark Keyless als Marke erhalten bleibt.
Doch diesmal sind die Voraussetzungen besser: ein strategisch passender Käufer, eine gereifte Technologie und ein Markt, der das Thema Identitätssicherheit ernster nimmt als je zuvor.
Fabian Eberle sagt es so: „Beim ersten Mal ging es ums Überleben. Diesmal geht es ums Wachsen.“
                
