20. Oktober, 2025

Startups & VC

Bayerisches Drohnen-Start-up will auf 5 Milliarden Euro Bewertung steigen

Der einstige Bundeswehroffizier Florian Seibel baut sein Unternehmen zum Rüstungskonglomerat aus. Mit neuen Finanzierungsrunden, aggressiven Übernahmen und politischer Rückendeckung soll Quantum Systems zur deutschen Antwort auf Palantir und Helsing werden.

Bayerisches Drohnen-Start-up will auf 5 Milliarden Euro Bewertung steigen
Die Drohne „Jäger“ soll feindliche Systeme abschießen – ein Produkt, das perfekt in die sicherheitspolitische Zeit passt.

Von der Start-up-Garage zur Rüstungsbühne

Wenn Florian Seibel heute in seinem Büro nahe München sitzt, ist von Start-up-Romantik nichts mehr zu spüren. Zwischen Drohnenprototypen, Sensoren und Helmdisplays laufen die Vorbereitungen auf den nächsten großen Schritt: Quantum Systems will sich innerhalb eines Jahres von einer Milliarde auf fünf Milliarden Euro Unternehmenswert hocharbeiten.

Dafür plant Seibel zwei Finanzierungsrunden in Serie – die erste soll bereits in diesem Oktober abgeschlossen werden und rund 150 Millionen Euro einbringen. „Der Kapitalbedarf ist riesig, aber das Momentum ist da“, heißt es aus Unternehmenskreisen. Die zweite Runde im kommenden Jahr soll dann den Sprung in die nächste Liga ermöglichen.

Drohnenkrieg als Wachstumstreiber

Seit deutsche Flughäfen wegen mutmaßlicher Spionagedrohnen mehrfach stillstanden, ist die Nachfrage nach Abwehrsystemen sprunghaft gestiegen. Seibel, 45 Jahre alt, früher selbst Offizier bei der Bundeswehr, hat die Zeichen der Zeit erkannt. Sein neuestes Modell trägt den Namen „Jäger“ – eine Drohne, die andere Drohnen vom Himmel holen soll.

„Abschießen statt abwarten“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, als er Seibel bei einer öffentlichen Vorführung besuchte. Eine Botschaft, die sitzt – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich: Der Umsatz von Quantum Systems soll 2025 rund 300 Millionen Euro erreichen und 2026 über 500 Millionen Euro. Schon jetzt ist das Auftragsbuch voll, allein die Bundeswehr gilt als Großkunde.

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Expansion in drei Dimensionen

Doch Seibel denkt weiter. Sein Ziel: ein europäisches Rüstungskonglomerat mit der Bezeichnung Quantum Systems Group. Unter diesem Dach sollen künftig vier operative Sparten entstehen – Luft, Land, See und Software.

Neben Drohnen plant Seibel autonome Landfahrzeuge und Unterwasserroboter, die ebenfalls KI-gesteuert agieren sollen. Die eigens entwickelte Softwareplattform Mosaic wird dabei das digitale Nervensystem des Konzerns bilden – sie vernetzt alle Systeme, koordiniert Einsätze und soll irgendwann eigenständig Entscheidungen treffen können.

Die Ambitionen sind groß. Noch in diesem Jahr will Quantum weitere Firmen übernehmen. Zuletzt kauften die Münchner den polnischen Sensortechnikspezialisten Weles Acoustic, den britischen Drohnenhersteller Nordic Unmanned UK und das deutsche Start-up AirRobot. Auch eine Beteiligung an der ukrainischen Frontline steht auf der Liste.

Konkurrenz mit Helsing – Wettrennen um die Zukunft der Kriegsführung

Mit diesem Kurs tritt Quantum Systems in direkte Konkurrenz zu einem anderen Münchner Verteidigungs-Start-up: Helsing, bewertet mit 12 Milliarden Euro und eng vernetzt mit der Bundesregierung. Auch Helsing expandiert aggressiv – zuletzt durch den Kauf des Flugzeugbauers Grob Aircraft und der australischen Unterwasserdrohnenfirma Blue Ocean.

Insider berichten, dass beide Unternehmen regelmäßig um dieselben Start-ups buhlen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, die Konkurrenz zwischen Seibel und Helsing-Co-CEO Gundbert Scherf sei „persönlich geworden“. Beide verkörpern das neue Gesicht der deutschen Rüstungsindustrie: Tech-getrieben, schnell, international.

Kapital aus dem Silicon Valley und der Oberklasse

Investoren stehen Schlange. Zu den Geldgebern zählen Peter Thiel, HV Capital, Project A, die 10x Group, Porsche SE, Hensoldt und Airbus. Schon im Frühjahr flossen 160 Millionen Euro, die Bewertung stieg auf eine Milliarde Euro.

Nun folgt der nächste Sprung. Durch die zweite Finanzierungsrunde könnte Quantum Systems mit fünf Milliarden Euro bewertet werden – ein Wert, der das Unternehmen in eine Liga mit europäischen Tech-Einhörnern wie Northvolt oder Revolut katapultieren würde.

Für Investoren ist das ein strategisches Spiel: In einer Zeit, in der Europa seine Verteidigungsausgaben massiv steigert, werden Rüstungs-Techs zur neuen Wachstumsstory.

Vom Aufklärer zum Angreifer

Was als ziviles Drohnenprojekt begann, ist längst militärisch geprägt. Quantum Systems hatte seine Technik zunächst für Kartierungen und Umweltanalysen entwickelt. Doch der Ukrainekrieg änderte alles: Die Nachfrage nach Aufklärungsdrohnen explodierte.

Heute beliefert Quantum die ukrainischen Streitkräfte direkt mit Systemen, die auf dem Schlachtfeld getestet werden. Seibel selbst sieht das pragmatisch: „Unsere Technologie schützt Menschenleben“, sagte er in einem früheren Interview – ein Satz, der militärisch wie moralisch in alle Richtungen interpretiert werden kann.

Politik und Profit – ein gefährlicher Schulterschluss

Mit der wachsenden Bedeutung im Verteidigungssektor rückt Quantum Systems auch politisch ins Rampenlicht. Söder feiert das Unternehmen als bayerisches „Technologie-Aushängeschild“. Kritiker warnen hingegen vor einer zu engen Verflechtung von Politik und privater Rüstung.

Die Nähe zwischen Politik, Industrie und Venture Capital weckt Erinnerungen an die amerikanische Defence-Tech-Szene – und an Unternehmen wie Palantir, das ebenfalls von Peter Thiel unterstützt wird. Quantum Systems könnte zu einem europäischen Gegenstück werden – mit allen Chancen, aber auch allen Risiken.

Ein Start-up zwischen Vision und Verantwortung

Seibel will das Tempo hochhalten. Noch 2026 sollen die neuen Tochtergesellschaften eigenständig operieren. Doch je größer Quantum wird, desto lauter werden auch die Fragen: Wer kontrolliert die Algorithmen, wenn autonome Systeme über Zielerfassung und Verteidigung entscheiden? Und wie viel Macht liegt in den Händen eines Start-ups, das Rüstung, Software und KI vereint?

Florian Seibel selbst gibt sich gelassen. Er spricht von Verantwortung, Sicherheit – und von der Zukunft Europas. Tatsächlich steht Quantum Systems sinnbildlich für den Wandel in der europäischen Verteidigungsindustrie: von schwerfälligen Staatskonzernen zu agilen, technologiegetriebenen Akteuren.

Die Geschichte dieses Unternehmens ist noch lange nicht zu Ende – aber schon jetzt ist klar: Sie wird mit darüber entscheiden, wie Europa in Zukunft Krieg denkt.

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