Vor zwei Jahren war Strategy Frame noch eine klassische Strategieberatung mit 30 Mitarbeitenden. Heute? Sind es noch drei. Der Rest wurde durch ein System aus 35 KI-Agenten ersetzt.
Berater, wie wir sie kennen, braucht es dort kaum noch. Christian Underwood, einst selbst WHU-Absolvent und Berater, hat ein Experiment gestartet, das mittlerweile Kreise bis ins Silicon Valley zieht: die fast vollautomatisierte Strategiearbeit.
Agenten statt Analysten: Der neue Standard?
Die Agentenplattform von Strategy Frame analysiert Märkte, definiert Ziele, bewertet Szenarien, simuliert M&A-Fälle – und liefert binnen Tagen eine Unternehmensstrategie, die früher Wochen oder Monate gebraucht hätte.
Und das für 3500 bis 7000 Euro. Deutlich günstiger als klassische Beratungshonorare, die oft im sechsstelligen Bereich liegen. Kunden wie Pfisterer oder Nfon berichten von Zeitgewinnen, erhöhter Transparenz und effizienterer Planung.

Doch Underwoods System ist mehr als nur ein schlauer Excel-Nachfolger. Die Agenten sprechen untereinander, werten Newsfeeds aus, reagieren in Echtzeit auf geopolitische Ereignisse oder Marktbewegungen und liefern – automatisiert – neue Handlungsempfehlungen. Der Strategieprozess wird damit zum digitalen Kreislauf, der sich ständig selbst aktualisiert.
Eine One-Man-Show mit Skalierungspotenzial
Was nach Tech-Gimmick klingt, ist für viele Investoren und Beobachter die nächste Produktivätsstufe. Start-ups wie Magic oder Solo-Beratungen mit GPT-4-Armee entstehen im Wochentakt.
Der Harvard-Dozent Jeffrey Bussgang nennt das Prinzip „Botscaling statt Blitzscaling“: Skalierung nicht über neue Mitarbeiter, sondern über Software-Agenten. Ein Trend, der Kapitalbedarf senkt, Gründungen erleichtert und klassische Größenvorteile aushebelt.
Grenzen der Technologie: Noch bleibt der Mensch entscheidend
Trotzdem: Ganz ohne Menschen funktioniert das System nicht. Noch braucht es Menschen, um die KI-Ausgaben zu verifizieren, Erkenntnisse zu bewerten und umzusetzen.
Die Plattform liefert den Rahmen, nicht die Wahrheit. Auch Unternehmen wie Pfisterer und Nfon warnen: Wer sich zurücklehnt, wird überrascht. Strategiearbeit bleibt auch in KI-Zeiten ein aktiver Prozess.
Gleichzeitig verändert sich die Rolle des Menschen grundlegend. Aus Führungskräften werden Systemkoordinatoren. Wer Entscheidungen vorbereitet, ist nicht mehr der Analyst, sondern ein Algorithmus. Laut AppliedAI-Geschäftsführer Andreas Liebl wird sich der Arbeitsmarkt in einem Jahr deutlich verschieben. Vor allem für Berufe mit standardisierbaren Outputs.
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Konzerne unter Zugzwang
Der Aufstieg der Ein-Mann-Firmen setzt Großunternehmen unter Druck. Denn Start-ups wie Strategy Frame starten ohne Altlasten, Prozesse oder Hierarchien – und sind deshalb oft schneller, effizienter und billiger.
Der strategische Umbau in Konzernen wird dadurch zum Risiko. Wer sich nicht neu erfindet, verliert den Anschluss.
Beraterinnen wie Nina Kataeva von der Boston Consulting Group betonen: KI ist kein IT-Projekt, sondern ein kultureller Umbau. Wer Verantwortung nicht neu denkt, bleibt auf halber Strecke stehen.
AI-First-Unternehmen seien modular, datenbasiert und entscheidungsfreudig. In klassischen Organisationen dominieren dagegen noch oft Silodenken und Statusverteidigung.
Bewertung neu denken: Weniger Größe, mehr Wirkung
Für Investoren verändert sich die Bewertungslogik. Nicht mehr Teamgröße oder Umsatztempo bestimmen den Wert, sondern Kapitaleffizienz, Automatisierungsgrad und strategische Wirkung.
Ein Einzelgründer mit starker KI-Architektur ist für Tech-Giganten wie Meta oder Microsoft oft attraktiver als ein klassisch gewachsenes Start-up mit großer Mannschaft.
Gleichzeitig bleibt das Modell fragil. Die Kundenbindung solcher Kleinstfirmen ist gering, die Austauschbarkeit hoch. Ein besserer Algorithmus, eine effizientere Plattform – und die Kundschaft wechselt. Langlebigkeit wird so zur Ausnahme. Der Exit ist oft nicht nur Ziel, sondern Notwendigkeit.
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