13. Juni, 2025

Unternehmen

Apples Schwäche zeigt sich bei KI – und sie ist größer als gedacht

Während Google und Meta beim Thema künstliche Intelligenz Tempo machen, wirkt Apple seltsam passiv. Der Konzern droht, den Anschluss zu verlieren – technologisch, strategisch und wirtschaftlich. Ist das der Anfang eines langsamen Abstiegs?

Apples Schwäche zeigt sich bei KI – und sie ist größer als gedacht
Design gegen Apple: Ausgerechnet Ex-Apple-Designer Jony Ive baut mit OpenAI an einem KI-Gerät – ein symbolträchtiger Schlag für den Konzern.

Der Moment der Wahrheit

Apple hatte alle Augen auf sich gerichtet – und präsentierte: neue Emojis, leicht optimierte Betriebssysteme und kosmetische Produktpflege. Wer am ersten Tag der Entwicklerkonferenz WWDC auf den großen KI-Wurf gehofft hatte, wartete vergeblich. Wieder einmal.

Während Google auf seiner I/O-Konferenz fast ausschließlich über Gemini sprach und Meta seinen gesamten Konzern in eine KI-Firma umbaut, verheddert sich Apple im eigenen Anspruch auf Datenschutz, Benutzerkontrolle – und Perfektion.

Das Ergebnis: eine künstliche Intelligenz, die es nicht mit der Konkurrenz aufnehmen kann. Siri bleibt ein Relikt aus der Vor-ChatGPT-Ära.

Drei Jahre Rückstand

Apple-CEO Tim Cook versuchte auf der Bühne in Cupertino, die Gemüter zu beruhigen. „Wir arbeiten intensiv daran, unsere hohen Qualitätsstandards zu erfüllen“, sagte er zur verzögerten Einführung des neuen Siri.

Es klang wie ein Eingeständnis, dass Apple im Wettrennen um die klügste Assistenz längst abgehängt ist. Analysten der Bank of America sprechen von bis zu drei Jahren Rückstand gegenüber Google, Microsoft und OpenAI.

Dass Apple vor einem Jahr bereits mit ChatGPT kooperierte, war ein deutliches Zeichen: Wer eigene Systeme hat, braucht keine fremde Hilfe. Apple aber brauchte sie. Und braucht sie noch immer.

Druck von allen Seiten: Strafzölle, Regulierung, Gerichtsverfahren – Apples Geschäftsmodell wackelt nicht nur wegen KI.

Ein Dilemma namens Datenschutz

Der Rückstand ist kein Zufall. Apple verfolgt seit Jahren eine kompromisslose Datenschutzstrategie: KI soll auf dem Gerät laufen, nicht in der Cloud. Das klingt gut für die Privatsphäre – bremst aber die Leistungsfähigkeit radikal aus.

Große Sprachmodelle wie GPT-4 oder Gemini sind schlicht zu rechenintensiv für lokale Chips. Und Apple kann es sich nicht leisten, das eigene Datenschutz-Narrativ über Bord zu werfen.

Die Konsequenz: Während die Konkurrenz in Echtzeit Konversationen führt, übersetzt, zusammenfasst und schreibt, kann Siri kaum mehr als Timer stellen und das Wetter ansagen. Der einstige Pionier wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Die Altlast Siri

Dass es so weit kommen konnte, ist auch hausgemacht. Siri war früh da – aber wurde nie grundlegend neu erfunden. Stattdessen versuchte Apple, das System schrittweise zu verbessern.

Doch mit dem Aufstieg generativer KI – und dem Durchbruch von ChatGPT Ende 2022 – änderten sich die Spielregeln. Heute vergleicht niemand Siri mit Alexa. Sondern mit GPT. Und dieser Vergleich fällt vernichtend aus.

Tim Cook kennt das Problem. Doch der Umbau geht schleppend voran. Funktionen wie „personalisierte Siri-Antworten“ wurden zwar angekündigt – sind aber immer noch nicht verfügbar. Vieles ist in der Entwicklung, aber nichts fertig.

Kooperation aus der Not: Apples Integration von ChatGPT zeigt, wie abhängig der Konzern inzwischen von externer KI geworden ist.

Ein Altmeister kehrt zurück – bei der Konkurrenz

Dass ausgerechnet Jony Ive – die Designlegende hinter dem iPhone – nun mit OpenAI ein eigenes KI-Gerät entwickeln soll, ist mehr als ein Seitenhieb. Es zeigt, dass sich das Innovationszentrum der Tech-Welt weiterbewegt. Und Apple? Schaut zu.

Die Vision von Sam Altman: ein Gerät, das ganz ohne Bildschirm auskommt, aber trotzdem das Smartphone ersetzen kann. Hardware trifft KI – genau das, worin Apple eigentlich Weltklasse war. Doch diesmal arbeitet Ive mit dem Wettbewerber.

Unruhe auch auf anderen Fronten

Gleichzeitig gerät Apple auch in anderen Bereichen zunehmend unter Druck:

  • Die US-Regierung denkt über Strafzölle auf Elektronik aus Asien nach – was Apples Fertigungsmodell ins Wanken bringen könnte.
  • In Europa zwingt der Digital Markets Act den Konzern, seinen App Store zu öffnen. Einnahmen aus der 30-Prozent-Provision stehen auf der Kippe.
  • In den USA steht ein Urteil an, das Googles Milliardenzahlung für die Standard-Suche auf dem iPhone beenden könnte.
  • Und das Justizministerium prüft, ob Apple den Smartphone-Markt unrechtmäßig monopolisiert hat.

Allein der Verlust der Google-Milliarden würde eine massive Lücke in Apples Bilanz reißen – Analysten gehen von bis zu 20 Milliarden Dollar jährlich aus. Eine Summe, die bisher verlässlich floss.

Der Mythos beginnt zu bröckeln

Apple galt über Jahrzehnte als unverwundbar. Höchste Margen, treue Nutzer, makelloses Marketing. Doch der Mythos beginnt zu bröckeln. Die Aktie hat seit Jahresbeginn rund 20 Prozent verloren.

Nicht wegen einer Krise, sondern wegen einer Lücke: Apple hat keine klare Antwort auf den KI-Trend. Und verliert damit seine Rolle als Taktgeber der Branche.

Die große Frage lautet: Wann kommt Apple wieder ins Spiel? Wenn überhaupt.

Ein Déjà-vu namens Nokia

Im Silicon Valley machen längst die ersten Sätze die Runde: „Das könnte Apples Nokia-Moment sein.“ Damals unterschätzte der finnische Konzern die Bedeutung des iPhones – und verschwand vom Weltmarkt.

Heute wirkt Apple selbst wie ein Unternehmen, das die neue technologische Welle zwar erkennt, aber nicht reiten kann.

Cook muss liefern – oder weichen

Noch ist Apple extrem profitabel. Aber der Erwartungsdruck steigt. Nicht nur bei Investoren, sondern auch intern. Wer zehn Jahre lang das innovativste Unternehmen der Welt war, kann sich keinen strategischen Blindflug erlauben. Und auch Tim Cooks Aura beginnt zu verblassen. Zu viele Ankündigungen, zu wenig Durchbruch.

Das könnte Sie auch interessieren:

Cyberattacken versichern, bevor sie zuschlagen – Baobab sammelt Millionen
Das Berliner Start-up Baobab will Europas Mittelstand gegen digitale Angriffe wappnen. Mit frischem Kapital von Viola FinTech und eCapital startet Gründer Vincenz Klemm den riskanten Expansionskurs eines jungen Assekuradeurs im Schatten der Versicherungsgiganten.