Ein Satz, ein Absturz
Es war keine aufsehenerregende Präsentation. Kein Produktlaunch. Kein Apple-Event mit Tusch. Es war ein Gerichtssaal in den USA – und ein Apple-Manager, der eigentlich nur als Zeuge geladen war.
Doch was Eddy Cue dort sagte, ließ die Alphabet-Aktie um 7,5 Prozent einbrechen.
Der Grund: Cue sprach offen über einen Wandel im Nutzerverhalten – weg von klassischen Suchmaschinen, hin zu Künstlicher Intelligenz. Und mehr noch: Apple erwäge, KI-basierte Suchsysteme künftig zusätzlich zu Google in den Safari-Browser zu integrieren. Die Börse reagierte sofort – und heftig.
Apples leiser Angriff auf Googles Goldgrube
Besonders brisant: Cue sprach nicht nur über die Zukunft, sondern über die Gegenwart. Zum ersten Mal sei im April ein Rückgang bei der Websuche über Safari zu beobachten gewesen.
Stattdessen würden Nutzer vermehrt KI-Systeme nutzen – also Chatbots wie ChatGPT oder Perplexity. Ein Alarmzeichen für Google, denn Safari ist nach Chrome der wichtigste Zugangskanal für die Google-Suche.
Für Anleger ist das nicht irgendeine Kennzahl. Das Werbegeschäft rund um Suchanfragen ist das finanzielle Rückgrat von Alphabet – jährlich bringt es dem Konzern dutzende Milliarden Dollar. Ein Rückgang bei den Zugriffen könnte dramatische Folgen haben.
Google kontert – doch Zweifel bleiben
Google selbst widersprach umgehend: Die Zahl der Suchanfragen von Apple-Geräten sei insgesamt weiter gestiegen, hieß es. Doch der Satz stand im Raum.
Und die Nervosität an den Märkten zeigt: Viele Investoren glauben längst, dass der Wandel zur KI-basierten Suche tiefgreifender ist, als es Google öffentlich einräumen möchte.
Analyst Joe Terranova nannte die klassische Suche im US-Fernsehen „den Goldesel“ von Alphabet. Und wenn ein Goldesel krank wird, will niemand der Letzte sein, der noch auf ihm reitet.

Ein Milliarden-Deal unter Beschuss
Apples Interesse am Verfahren ist ebenfalls hoch. Schließlich geht es in dem laufenden US-Prozess um die Frage, ob der milliardenschwere Deal zwischen Google und Apple – Google als Standardsuche in Safari – wettbewerbswidrig ist. Die US-Regierung sagt: ja. Google bezahlt Apple jährlich Milliarden, um die Konkurrenz auszusperren. Im Jahr 2022 waren es rund 20 Milliarden Dollar.

Cue verteidigte die Vereinbarung nicht, machte aber deutlich, dass Apple offen für Alternativen sei – etwa für KI-Suchsysteme, die ganz anders funktionieren als die klassische Linkliste von Google.
„Kein iPhone mehr in zehn Jahren“ – Cues zweiter Paukenschlag
Fast untergegangen ist ein anderer Satz, den Cue ebenfalls vor Gericht sagte – und der in seiner Tragweite kaum kleiner ist.
„So verrückt das klingt: In zehn Jahren könnte man kein iPhone mehr brauchen.“
Die Begründung: Fortschritte in KI könnten die Art, wie Menschen mit Technik interagieren, grundlegend verändern.
Der Gedanke ist radikal – besonders, wenn er vom Mann kommt, der Apples Dienstleistungssparte verantwortet. Das iPhone ist bis heute das mit Abstand wichtigste Apple-Produkt. Wenn selbst intern die Möglichkeit diskutiert wird, dass dieses Gerät an Bedeutung verliert, zeigt das: Der Wandel ist nicht mehr theoretisch.
Eine Branche in Bewegung
Cues Aussagen machen deutlich, wie sehr sich die Spielregeln im Tech-Sektor verschieben. Die klassische Suche wird von generativen KI-Systemen bedrängt. Mobile Betriebssysteme könnten an Bedeutung verlieren, wenn KI die Nutzer direkt bedient – ohne Apps, ohne klassische Interfaces.
Für Google ist das doppelt gefährlich. Das Unternehmen investiert zwar mit Hochdruck in eigene Systeme wie Gemini – doch es hat mehr zu verlieren als andere. Vor allem, wenn die Plattformpartner wie Apple beginnen, Alternativen zuzulassen oder sogar zu bevorzugen.
Das Ende der Suchdominanz?
Noch läuft Googles Suchmaschine. Noch sprudeln die Gewinne. Doch der Markt hat ein feines Gespür für tektonische Verschiebungen – und genau das war Cue am Zeugenstand gelungen: Er hatte in wenigen Sätzen sichtbar gemacht, dass Google keine uneinnehmbare Festung mehr ist.
Und das ausgerechnet durch Apple – jenen Partner, der Googles Dominanz bislang zementiert hat.
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