Ein FinTech fordert Goliath heraus
Fintiv, ein kleiner Zahlungsdienstleister aus Austin, Texas, hat am 6. August Klage gegen Apple eingereicht. Der Vorwurf: Der iPhone-Konzern habe sich bereits 2011 unter dem Deckmantel einer Partnerschaft mit der damaligen CorFire Zugriff auf vertrauliche Technologie verschafft.
Später habe Apple dieses Know-how in Apple Pay integriert, ohne jemals Lizenzgebühren zu entrichten. Fintiv übernahm die Rechte an CorFire und sieht sich nun um ein Milliardengeschäft gebracht.

Im Kern geht es um die Grundlagen der mobilen NFC-Zahlungen: sichere Elemente auf dem Gerät, Verschlüsselung und ein sogenanntes Trusted Service Management, das die Verbindung zwischen Bank und Endgerät schützt. Genau diese Komponenten machen den Unterschied zwischen einer simplen Kartenkopie und einem global einsetzbaren Bezahlservice.
RICO-Gesetz gegen Apple
Brisant wird der Fall, weil sich Fintiv nicht nur auf klassische Patent- und Geheimnisschutzgesetze stützt, sondern auf das RICO-Gesetz. Ursprünglich geschaffen, um Mafia-Strukturen in den USA zu zerschlagen, erlaubt es eine Klage gegen Unternehmen, wenn sie „kriminelle Vereinigungen“ bilden, um Vorteile zu erlangen.
Fintiv argumentiert, Apple habe gemeinsam mit Banken und Zahlungsnetzwerken ein solches „Enterprise“ aufgebaut – mit dem Ergebnis: Milliardenumsätze auf Basis gestohlener Technologie.
Das ist mehr als nur juristische Rhetorik. Sollte ein Gericht Fintivs Sichtweise stützen, drohen nicht nur hohe Schadenersatzzahlungen, sondern auch Strafzinsen und dreifache Entschädigungen. Für Apple, das Apple Pay längst in Hunderte Millionen Geräte integriert hat, könnte der Streit teuer werden.

Apples Verteidigungslinie
Apple weist die Anschuldigungen kategorisch zurück. Man habe Apple Pay intern entwickelt, die Sicherheitsarchitektur sei einzigartig und vielfach überprüft. Der Konzern verweist auf frühere Verfahren in Texas, in denen Fintiv mit Patentklagen gescheitert war.
Damals urteilten die Richter, dass Apple Pay keine sensiblen Kontodaten lokal speichere – ein zentrales Gegenargument zu Fintivs Behauptungen.
Für Cupertino ist der neue Prozess auch eine Reputationsfrage: Die Marke Apple lebt von Vertrauen. Der Konzern inszeniert Apple Pay seit Jahren als Musterbeispiel für sichere digitale Zahlungen. Eine Niederlage würde nicht nur Geld, sondern Glaubwürdigkeit kosten.
Was auf dem Spiel steht
Apple Pay ist längst mehr als ein Nebenprodukt des iPhones. Es ist ein strategischer Pfeiler im Dienstleistungsgeschäft des Unternehmens. Allein im Jahr 2024 liefen Schätzungen zufolge Transaktionen im Wert von über 1,5 Billionen Dollar über das System. Gebühren, die Apple bei Banken und Händlern erhebt, machen Apple Pay zu einem hochprofitablen Geschäftszweig.
Ein erfolgreiches Verfahren könnte Fintiv Ansprüche in Milliardenhöhe sichern – und Apple zwingen, sein Geschäftsmodell offenzulegen. Für Anleger wäre das ein Szenario mit Sprengkraft, zumal die Apple-Aktie zuletzt bereits unter Druck stand.
Kampf David gegen Goliath
Der Fall Fintiv gegen Apple zeigt exemplarisch, wie sehr Tech-Giganten im Zahlungsverkehr in juristischen Grauzonen operieren. Kleinere Anbieter sehen sich oft ausgebootet oder enteignet. Nun könnte ein texanisches FinTech den wertvollsten Konzern der Welt zwingen, vor Gericht Stellung zu beziehen – und das RICO-Gesetz zum gefährlichsten Werkzeug gegen Silicon-Valley-Mächte machen.
Für Apple gilt daher: Nicht nur die Milliarden, auch die Frage nach fairer Konkurrenz im globalen Zahlungsverkehr steht auf dem Spiel.
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