21. Mai, 2025

Märkte

Apple bricht mit China

Während die Welt auf Foxconn schaut, übernimmt Tata still und zielstrebig große Teile der iPhone-Produktion. Neue Satellitenbilder zeigen: Indien wächst zum neuen Herz der Smartphone-Industrie – auch dank Apple, Trump und geopolitischem Kalkül.

Apple bricht mit China
Während Foxconn weiter als Marktführer gilt, baut Tata nahezu lautlos eine Infrastruktur auf, die nicht nur Apple bedienen, sondern auch Android-Hersteller wie Xiaomi versorgen soll – samt eigener Chipfertigung in Planung.

Der Machtwechsel beginnt nicht in Cupertino

Bis vor Kurzem war Foxconn der unangefochtene Herrscher über die iPhone-Fertigung. Doch mit dem Rückzug Apples aus China verschiebt sich das Zentrum der Smartphone-Welt – nicht etwa in die USA, wie es sich Donald Trump wünscht, sondern in den Süden Indiens.

Genauer: in den Bundesstaat Tamil Nadu, nahe Bangalore. Dort, auf früheren Reisfeldern, wächst derzeit ein Industriekonglomerat, das in seiner Wucht an asiatische Sonderwirtschaftszonen erinnert – nur eben geführt von Tata, Indiens traditionsreichem Mischkonzern.

Das Ziel: Apple mit Hunderttausenden Arbeitskräften beliefern – und sich langfristig als unersetzlicher Partner im globalen Elektronikgeschäft positionieren. Das Tempo ist atemberaubend, die Strategie still, aber aggressiv. Und Foxconn? Muss zusehen.

Ein riesiges Werk, ein kleiner Ausweis – und 50.000 neue Jobs

Die Bilder des Satellitenanbieters LiveEO zeigen: Wo 2022 noch Felder waren, stehen heute zwei riesige Hallen, flankiert von zwölfstöckigen Wohnblöcken für Beschäftigte.

Tata hat innerhalb von zwei Jahren ein Werk hochgezogen, in dem schon jetzt iPhones montiert werden – trotz Rückschlägen wie einem Großbrand 2024. Geplant ist der Betrieb von bis zu 70.000 Menschen – vor allem jungen Frauen. Automatisiert wird hier kaum. Denn Smartphones sind feine Handarbeit, für die es keine Roboterlösung gibt.

Für den Subkontinent ist das ein Vorteil. Während ähnliche Strukturen in den USA am Arbeitsmarkt scheitern würden, gilt ein Job bei Tata in Indien als Statussymbol. Der Firmenausweis ersetzt mancherorts sogar den Personalausweis – etwa am Flughafen beim Boarding.

Das 5-Milliarden-Dollar-Förderprogramm der indischen Regierung zielt auf eine Unabhängigkeit von China – und trifft damit genau Apples Entkopplungsstrategie. Tata profitiert direkt von der politischen Großwetterlage.

Vom Stahl zum iPhone – Tata überholt Foxconn im Schatten

Noch 2018 war Tata im Elektronikbereich praktisch unbedeutend. Heute besitzt der Konzern nicht nur eigene Werke, sondern auch ehemalige Produktionsstandorte von Pegatron und Wistron – zwei taiwanesischen Apple-Zulieferern, die einst in China groß geworden waren.

Tata hat sie kurzerhand aufgekauft, inklusive Infrastruktur, Personal und Grundstücke. Ein cleverer Schachzug, der politische und juristische Hindernisse umgeht – denn Land in Indien zu erwerben ist kompliziert, langsam und mitunter explosiv.

Foxconn hat zwar ebenfalls neue Werke in Indien eröffnet, darunter eine Megafabrik nördlich von Bangalore. Doch Tata ist schneller, flexibler – und verzahnt enger mit der Politik.

Make in India – und Apple liefert tonnenweise iPhones

Die indische Regierung macht kein Geheimnis aus ihrer Strategie: Aus der verlängerten Werkbank soll ein Hightech-Exportland werden. Premier Modi hat 2024 ein neues Milliardenprogramm gestartet, um Apple & Co. nicht nur zur Montage, sondern auch zur Herstellung von Komponenten zu bewegen.

In den Fabriken von Tata werden bereits Gehäuse gefertigt. Touchscreens, Kameramodule und Chips stammen derzeit zwar noch häufig aus China – aber auch das soll sich bald ändern.

Die Erfolge lassen sich wiegen: Allein im März 2025 exportierte Apple iPhones im Wert von 2 Milliarden Dollar aus Indien in die USA – laut Reuters über 600 Tonnen Hardware. Die Kapazitäten wachsen. Und der Preisdruck bleibt.

Ein iPhone „Made in USA“? Ökonomen halten das für illusorisch. Die Kosten pro Gerät würden sich verdreifachen.

Tata, Trump und ein geopolitisches Vakuum

Dass der Tata-Konzern gerade jetzt zur entscheidenden Figur wird, ist kein Zufall – sondern das Produkt globaler Spannungen.

Die Lieferkettenkrise der Pandemie, Trumps Handelskrieg mit China, und Apples Wunsch nach geopolitischer Entkopplung bilden zusammen einen historischen Moment. Indien füllt die Lücke, und Tata liefert die Antwort: schnell, effizient, kontrolliert – und immer häufiger unabhängig von Taiwan.

Dass der Konzern dabei fast lautlos agiert, ist Kalkül. Während Foxconn unter dem politischen Scheinwerfer steht, baut Tata leise weiter – Werk für Werk, Halle für Halle.

Ein Konzern mit Struktur – und mit Stiftung

Tata Electronics gehört vollständig zur Dachgesellschaft Tata Sons, die wiederum mehrheitlich in Stiftungsbesitz ist. Der Konzern ist kein typisches Familienimperium à la Musk oder Bezos.

Die Tata-Familie lebt vergleichsweise bescheiden, investiert jedoch systematisch in langfristige Projekte. Das erklärt auch den kompromisslosen Ausbau der Elektroniksparte: Einmal entschieden, wird durchgezogen – ganz gleich, wie riskant das Projekt wirkt.

Unter CEO Randhir Thakur, einem ehemaligen Topmanager von Intel, professionalisiert sich Tata Electronics rasant. Die ehrgeizige Roadmap sieht nicht nur Apple als Kunden vor, sondern auch Unternehmen wie Xiaomi, Dell oder Microsoft. Und der nächste Schritt ist längst geplant: eine eigene Chipfertigung, gemeinsam mit dem taiwanesischen Hersteller Powerchip.

Was bleibt für Europa?

Für Europa ist diese Entwicklung eine doppelte Mahnung. Erstens zeigt sich, wie weit der Kontinent bei strategischer Industriepolitik zurückliegt – Indien denkt in Produktionsclustern, exportorientiert, mit politischer Flankierung. Zweitens verdeutlicht der Aufstieg Tatas, wie leicht globale Marktanteile verschoben werden können, wenn Kapital, Staat und Unternehmenskultur zusammenspielen.

Die Smartphone-Welt wandert – und Europa steht am Rand. Ob als Käufer, Zulieferer oder Markt – aber nicht als Akteur.