Es klingt nach Science-Fiction, ist aber knallharte Infrastrukturstrategie: Amazon will eines seiner nächsten Rechenzentren direkt an ein aktives Atomkraftwerk anbinden.
Genauer gesagt an das Kraftwerk Susquehanna im Nordosten des US-Bundesstaats Pennsylvania. Der Deal hat ein Volumen von 650 Millionen Dollar, das gesamte Investitionspaket beläuft sich auf 20 Milliarden. Und er zeigt: Die Rhetorik vom „grünen Internet“ ist längst Geschichte.
Der Stromhunger der KI kennt keine Pause
Amazon reagiert damit auf die rasant steigende Nachfrage nach Cloud-Computing und KI-Rechenleistung. Seit 2024 hat der Konzern bereits 10 Milliarden Dollar in neue Rechenzentren in Ohio, Mississippi, Indiana und North Carolina investiert.
Jetzt folgt Pennsylvania. Zwei neue Mega-Standorte entstehen, einer davon in Fairless Hills auf dem Areal eines früheren US-Stahlwerks, der andere in unmittelbarer Nähe zum Atomreaktor.
Der Standort ist kein Zufall. Die KI-Modelle, die derzeit entstehen, benötigen gigantische Mengen an Energie. Ein modernes Rechenzentrum verschlingt Hunderttausende Megawattstunden pro Jahr.
Amazon sichert sich mit der direkten Anbindung an Susquehanna bis zu 960 Megawatt – genug, um rund 600.000 Haushalte zu versorgen. Talen Energy, Eigentümer des Kraftwerks, hatte das eigene Rechenzentrum bereits 2024 an Amazon verkauft.
Ein Fall für die Bundesaufsicht
Doch die Sache hat politische Sprengkraft. Die US-Regulierungsbehörde FERC (Federal Energy Regulatory Commission) legte den Deal im November 2024 auf Eis.

Der Vorwurf: Durch privilegierte Direktlieferungen an Amazon könnten andere Stromkunden benachteiligt werden. Besonders brisant: Großabnehmer wie Amazon zahlen bei Direktanschluss keine regulären Netzentgelte.
Noch ist unklar, wann die Behörde eine Entscheidung treffen wird. Doch der Streit zeigt bereits jetzt, wie angespannt das US-Stromnetz durch den KI-Boom geworden ist.
Wer Rechenzentren plant, denkt heute wie ein Energiekonzern. Es geht um Anschlussrechte, Stromquellen, Lobbypolitik. Der Standortvorteil heißt nicht mehr Breitband, sondern Grundlast.
Auch Google, Meta und Microsoft jagen Energiequellen
Amazon ist nicht allein. Auch Google, Meta und Microsoft suchen weltweit nach Standorten mit sicherer Stromversorgung. Ziel ist es, Engpässe zu umgehen – und Rechenpower so nah wie möglich an die Quelle zu bringen. Kleine Atomreaktoren, Wasserkraftwerke, Solarfarmen in der Wüste: Nichts ist mehr tabu, wenn es um KI geht.
Amazon-Chef Andy Jassy spricht von einem "notwendigen Paradigmenwechsel". In Pennsylvania jedenfalls gilt die Ankündigung als Meilenstein. Gouverneur Josh Shapiro spricht von der größten Einzelinvestition in der Geschichte des Bundesstaats.
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