Ein Traditionshaus unter neuer Flagge
Am 30. Juni war es offiziell: Die niederländische ABN Amro hat den Kauf der deutschen Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe (HAL) vollzogen – ein Deal, der das Kräfteverhältnis im deutschen Wealth-Management-Markt spürbar verschiebt.
Der Kaufpreis: 672 Millionen Euro. Der Verkäufer: Bridge Fortune, eine Tochter des chinesischen Fosun-Konzerns. Der neue Eigentümer: ein niederländischer Bankriese mit Ambitionen weit über den Heimatmarkt hinaus.
Für ABN Amro ist Deutschland ab sofort die zweitwichtigste Region nach dem Heimatmarkt – vor Frankreich, vor Belgien, vor dem Rest der EU. Das ist kein Zufall. Es ist Strategie.
Bethmann HAL: ein Markenexperiment mit 70 Milliarden Euro
Die Integration wird greifbar unter dem neuen Namen „Bethmann HAL“ – eine Fusion der Bethmann Bank, die bereits seit Jahren als deutsches Privatbankvehikel von ABN Amro fungiert, mit der HAL, die ihrerseits auf eine Geschichte bis 1796 zurückblickt.
70 Milliarden Euro an verwaltetem Vermögen machen „Bethmann HAL“ künftig zur drittgrößten Privatbank des Landes. Nur die Deutsche Bank und die Commerzbank-Tochter Commerz Real verwalten mehr.
Bethmann HAL soll sich auf zwei zentrale Kundengruppen konzentrieren: vermögende Privatkunden und mittelständische Unternehmer. Zwei Segmente, die im aktuellen Zinsumfeld wieder interessanter werden – aber auch härter umkämpft sind als je zuvor.
Zwei Marken, eine Richtung
Während „Bethmann HAL“ das Wealth Management übernimmt, laufen Firmenkundengeschäft, Asset Servicing und Kapitalmarktaktivitäten unter der Flagge „ABN Amro Deutschland“.
Der Doppelauftritt ist ungewöhnlich, wirkt aber gewollt: Die Marke HAL soll nicht verschwinden, sondern Teil der neuen Identität werden. Das spricht für einen respektvollen Übergang – und gegen einen bloßen Aufkauf.
Trotzdem ist der Kurs klar: Die Niederländer wollen wachsen. Nicht auf Sicht, sondern mit langfristigem Plan – und mit dem Rückenwind europäischer Bankenregulierung, die grenzüberschreitende Konsolidierungen heute stärker begünstigt als vor zehn Jahren.
Ein Kauf mit Signalwirkung – und Nebenwirkungen
Für die deutsche Bankenlandschaft ist die Übernahme mehr als eine gewöhnliche Fusion. Sie zeigt: Die Konsolidierung im Mittelbau der Privatbanken nimmt Fahrt auf. Wer nicht selbst skaliert, wird übernommen – oder gerät ins Hintertreffen. HAL galt lange als solide, aber nicht zukunftsweisend aufgestellt.

Der Eigentümer Fosun war zuletzt selbst finanziell angeschlagen – das macht die Entscheidung, zu verkaufen, nachvollziehbar. Für ABN Amro aber war es ein idealer Moment: niedriges Zinsniveau, moderate Bewertung, strategisch günstige Lücke.
Die Integration soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein. Rund 2.000 Mitarbeitende an 18 Standorten (17 in Deutschland, einer in Luxemburg) gehören dann zur neuen Einheit. Die erwarteten Synergien: mindestens 60 Millionen Euro pro Jahr ab 2028 – vor Steuern. Das klingt nach Effizienz. Für viele Mitarbeitende wird es aber auch Umstrukturierungen bedeuten.
Management bleibt – vorerst
Spannend ist, dass ABN Amro die Führungskräfte der HAL nicht sofort auswechselt. Michael Bentlage bleibt Geschäftsführer, Hans Hanegraaf bleibt Country Executive der Niederländer in Deutschland. Das klingt nach Vertrauen – oder nach Vorsicht, bis die Integration steht.
Die betonte Kontinuität mag gut für die Kundenbindung sein. Aber auch sie hat ein Verfallsdatum. Ab 2026 dürften strategische Entscheidungen zunehmend zentral aus Amsterdam getroffen werden – mit allen Folgen für Kultur, Tempo und unternehmerische Freiheit.
Privatbank trifft Staatsnähe
Was oft übersehen wird: ABN Amro ist zwar börsennotiert, aber mehrheitlich im Besitz des niederländischen Staates. Dass ausgerechnet ein staatlich kontrollierter Akteur ein deutsches Traditionshaus übernimmt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie – in einem Land, das sich gern als marktwirtschaftliches Vorbild sieht.
Politisch ist der Deal weitgehend geräuschlos verlaufen. Vielleicht, weil er wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Vielleicht auch, weil HAL keine systemrelevante Größe hatte.
Aber der Fall ist ein Präzedenz: Ein staatlich dominierter niederländischer Konzern übernimmt ein historisch deutsches Bankhaus und setzt neue Standards. Still, aber weitreichend.
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