12. Juli, 2025

Reichtum

28 Billionen verwaltet – Europas Fondsbranche in der Rentabilitätsfalle

Rekordvermögen, aber sinkende Gewinne: Eine neue McKinsey-Studie zeigt, warum europäische Asset Manager trotz Boom beim verwalteten Kapital unter Druck geraten – und wie KI, Alternativen und Skalierung zur Überlebensfrage werden.

28 Billionen verwaltet – Europas Fondsbranche in der Rentabilitätsfalle
Trotz Rekordvolumen von 28 Billionen Euro sind die Gewinne der europäischen Fondsbranche seit 2021 um 20 Prozent gefallen – ein strukturelles Warnsignal.

Mehr Geld, weniger Marge

Die Zahlen klingen auf den ersten Blick beeindruckend: Europas Asset Manager verwalten heute ein Vermögen von rund 28 Billionen Euro – mehr als je zuvor. Doch wer hinter die glänzende Fassade schaut, erkennt schnell: Die Branche leidet.

Laut aktueller McKinsey-Studie sind die operativen Gewinne im Vergleich zu 2021 um 20 Prozent gefallen, die Margen sinken auf breiter Front – und der Druck auf Geschäftsmodelle nimmt weiter zu.

Kosten steigen, Gebühren schrumpfen

Hinter dem Margenverfall stehen mehrere strukturelle Probleme. Zum einen sind die Betriebskosten seit 2021 deutlich gestiegen – Personal, Infrastruktur, Regulatorik, Digitalisierung. Zum anderen sind die Nettoverwaltungsgebühren in fast allen Anlagekategorien gesunken. Besonders betroffen: aktive Aktienfonds, Multi-Asset-Strategien und sogar Alternatives – die lange als margenstark galten.

Dazu kommen massive Investitionen in Technologie, vor allem für Datenanalyse, Reporting und KI-gestützte Prozesse. Das Ziel: Skalierbarkeit, Automatisierung und Kostendisziplin. Doch kurzfristig steigen dadurch vor allem die Fixkosten – bei gleichzeitig sinkenden Erlösen pro verwaltetem Euro.

Zuflüsse in die falschen Produkte

Ein weiteres Problem liegt in der Struktur der Mittelzuflüsse. Zwar flossen 2024 netto 593 Milliarden Euro in europäische Fonds – doch der Großteil davon ging in Produkte mit traditionell niedrigen Margen: passive Strategien, Geldmarktfonds und festverzinsliche Anlagen. Ausgerechnet margenstarke Produkte wie aktive Aktienfonds verzeichneten massive Abflüsse.

Immer mehr Mittel fließen in Produkte mit niedrigen Margen: 2024 allein 316 Mrd. € in passive Fonds, während aktive Aktienfonds 147 Mrd. € verloren.

Das verschärft den Verteilungskampf innerhalb der Branche. Denn wenn weniger neues Geld kommt – und dieses in billige Produkte fließt –, steigt der Wettbewerb um profitable Mandate. Der Preiskampf nimmt zu, gleichzeitig sinkt der Spielraum für echte Differenzierung.

KI als Hoffnung und Risiko

Eine der zentralen Antworten der Branche lautet: Künstliche Intelligenz. Laut McKinsey nutzen bereits 58 Prozent der europäischen Asset Manager generative KI, etwa für Portfoliooptimierung, Research oder Rebalancing.

42 Prozent berichten von positiven Effekten auf die Performance. Doch der KI-Boom hat seinen Preis: Know-how, Infrastruktur, Talent – alles teuer, alles schwer zu skalieren.

Noch ist offen, ob sich diese Investitionen langfristig rechnen. Klar ist aber: Wer KI sinnvoll einsetzt, könnte sich mittel- bis langfristig einen Effizienzvorteil verschaffen – oder im schlimmsten Fall ins Hintertreffen geraten.

Aktive ETFs und Alternative Anlagen als Hoffnungsträger

Trotz aller Probleme zeigen sich auch Lichtblicke: Aktive ETFs etwa verzeichnen in Europa dynamisches Wachstum – mit jährlichen Wachstumsraten von über 25 Prozent.

Bis 2029 soll ihr Volumen auf 165 Milliarden Euro steigen. Auch alternative Anlagen bleiben gefragt: Private Equity, Infrastruktur, Private Debt – sie machten 2024 rund 40 Prozent der Gesamterträge im europäischen Asset Management aus.

Nur 4 europäische Asset Manager befinden sich 2024 noch unter den globalen Top 20 – 2007 waren es noch sieben. Der Marktanteil schrumpft dramatisch.

Doch auch hier gilt: Die Konkurrenz ist groß. Gerade bei alternativen Anlagen dominieren spezialisierte Anbieter – sogenannte Boutiquen –, während klassische Fondsanbieter oft hinterherlaufen. Nur 13 der 100 größten Alternatives-Manager Europas stammen aus dem traditionellen Asset Management.

Die Abstiegsspirale gegenüber den USA

Am deutlichsten zeigt sich der strukturelle Rückstand gegenüber US-Konkurrenten: Während 2007 noch sieben europäische Häuser unter den Top 20 der globalen Asset Manager waren, sind es heute nur noch vier.

Der Marktanteil sank von 31 auf 11 Prozent. Einer der Gründe: Europas Branche ist stark fragmentiert und durch viele konzerngebundene „Captives“ geprägt – die Skalierung leidet, die Schlagkraft schwindet.

Amerikanische Anbieter sind globaler, aggressiver im Vertrieb und technologisch oft weiter. Das drückt nicht nur auf die Marktanteile, sondern auch auf die Margen – weil viele institutionelle Anleger zunehmend auf US-Produkte ausweichen.

Wendepunkt mit Ansage

McKinsey spricht von einem „strategischen Wendepunkt“ – und identifiziert drei erfolgversprechende Archetypen: Skalierer mit globalem Setup und Effizienzvorteilen, Alpha-Spezialisten mit hoher Anlagekompetenz, und kundennahe Anbieter mit ganzheitlicher Lösungskompetenz.

Was allen gemeinsam ist: Sie müssen ihr Betriebsmodell anpassen, Vertrieb neu denken und technologisch aufrüsten – schnell, entschlossen, skalierbar.

Der europäische Druck wächst

Für viele Häuser bedeutet das: Es braucht mehr Mut zur Veränderung – und weniger Beharren auf alten Strukturen. Ohne klare Differenzierung, technologische Innovationskraft und strategischen Fokus droht Europas Asset-Managern der schleichende Rückzug aus dem globalen Wettbewerb.

Die 28 Billionen Euro verwaltetes Vermögen sind kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg – sondern zunehmend ein trügerisches Spiegelbild eines längst überhitzten Marktes.

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