21. Juli, 2025

Unternehmen

2750 Stellen, 50 Millionen Euro und ein Bekenntnis mit Fragezeichen

Siemens einigt sich mit dem Betriebsrat auf einen vergleichsweise stillen Stellenabbau und zahlt in einen millionenschweren Transformationsfonds ein. Doch hinter dem Optimismus steckt eine tieferliegende Unsicherheit.

2750 Stellen, 50 Millionen Euro und ein Bekenntnis mit Fragezeichen
Abbau trotz Milliardengewinnen: Siemens will allein in Deutschland 2.750 Stellen streichen – obwohl der Konzern 2024 über 8 Milliarden Euro Nettogewinn erzielte.

Der Umbau beginnt leise

Siemens zieht die Reißleine. Knapp vier Monate nach der Ankündigung, in der Sparte Digital Industries weltweit 6000 Stellen zu streichen, davon 2750 in Deutschland, meldet der Industriekonzern nun eine Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat.

Statt großer Proteste, Demonstrationen oder medialem Schlagabtausch folgte ein geordnetes Verfahren. Innerhalb von nur 14 Wochen einigten sich Siemens, die IG Metall und der Betriebsrat auf einen Interessenausgleich.

Die Kosten für den Konzern: ein Transformationsfonds in Höhe von 50 Millionen Euro.

Kühles Management trifft auf warme Worte

"Wir trennen zwischen den Stellen, die abgebaut werden, und den Menschen, die darauf sitzen", erklärt Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn. Ein Satz, der die Strategie auf den Punkt bringt: Der Abbau soll möglichst ohne Entlassungen gelingen.

Interne Versetzungen, Frühverrentung, Weiterbildung und neue Einsatzorte – das sind die Hebel. In Leipzig, wo 160 Stellen im Bereich Ladelösungen wegfallen, konnte mehr als der Hälfte der Belegschaft ein neues Jobangebot gemacht werden, oft am gleichen Standort.

Doppelmoral beim Standortbekenntnis: Während Siemens in München neue Jobs schafft, baut es in Leipzig und Erlangen hunderte Stellen ab – teils trotz voller Auftragsbücher.

Warum es zum Stellenabbau kam

Die Ursachen liegen weniger in hausgemachten Krisen, sondern in einem zyklischen Abschwung – verstärkt durch strategische Fehleinschätzungen. Kunden, vor allem aus China und der Autoindustrie, hatten sich während der Pandemie mit Automatisierungstechnik eingedeckt.

Als die große Nachfragewelle ausblieb, blieben sie auf vollen Lagern sitzen. Siemens traf das besonders hart: Im wichtigsten Wachstumsmarkt China fehlten passgenaue Produkte. Mit der Strategie "China Accelerates 2.0" versucht Industrievorstand Cedrik Neike nun gegenzusteuern – mit 18 neuen Produkten speziell für den chinesischen Markt.

Gleichzeitig bauen, was man abbaut

Doch die Kapazitäten blieben überdimensioniert. Der Personalabbau war daher aus Sicht des Managements alternativlos. Gleichzeitig entstehen andernorts neue Jobs: So sollen im erweiterten Zugwerk in München-Allach 500 Stellen geschaffen werden – potenziell auch für umgeschulte Mitarbeitende aus dem Digitalbereich. Siemens investiert in Weiterbildung, Umschulungen und zahlt Prämien für interne Jobwechsel.

Ein Tarifabschluss mit Symbolkraft

Ergänzt wird der Interessenausgleich um eine Tarifangleichung für 11.000 Mitarbeitende, die bislang unter einer schlechteren Sonderregelung arbeiteten. Künftig gelten auch für sie die Bedingungen der Metall- und Elektroindustrie: weniger Wochenstunden, mehr Geld.

Für die IG Metall ein Durchbruch, für Siemens ein klares Signal: Man will nicht nur abbauen, sondern auch integrieren.

Wie glaubhaft ist das Bekenntnis zum Standort?

Judith Wiese, Personalvorständin bei Siemens, spricht von einem "klaren Bekenntnis zum Standort Deutschland". Netto wachse der Personalbestand sogar. Doch die Frage bleibt: Wie nachhaltig ist dieses Bekenntnis, wenn man gleichzeitig in Massen abbaut?

Siemens hat sich einer Allianz deutscher Unternehmen angeschlossen, die bis zu 300 Milliarden Euro investieren wollen – unter der Voraussetzung besserer politischer Rahmenbedingungen.

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