Die Nachricht kam mitten in den Ferien
Es war ein Timing, das fast zynisch wirkte: Während große Teile der Schweizer Uhrenindustrie in den traditionellen Sommerferien steckten, ließ Donald Trump die Zollbombe platzen.
Ab sofort sollen beim Import von Schweizer Uhren in die USA 39 Prozent Zoll fällig werden. Eine Kampfansage an eine Branche, deren wichtigste Absatzmärkte ohnehin schon wackeln.
USA: Vom Hoffnungsträger zum Risiko
Noch 2024 gingen rund 17 Prozent aller Schweizer Uhren – im Wert von vier Milliarden Franken – in die Vereinigten Staaten. Die USA hatten sich nach der Pandemie zum mit Abstand wichtigsten Markt für Schweizer Uhrmacher entwickelt. Doch der Boom droht zu kippen – nicht wegen sinkender Nachfrage, sondern wegen politischer Willkür.

Die erste Reaktion: Versand auf Vorrat
Kaum hatte Trump am 2. April seine „Liberation Day“-Rede gehalten, wurden in der Schweiz hektisch Kisten gepackt. Marken wie Swatch, Omega, Longines, aber auch Luxuslabels wie Patek Philippe oder Cartier schickten in Rekordzeit Ware über den Atlantik.
Ziel: sich Zeit erkaufen – buchstäblich. Nick Hayek, Chef der Swatch Group, erklärte, man habe für mehrere Monate Lagerbestände in den USA aufgebaut. Vorerst bleiben die Preise damit stabil – doch das ist nur Aufschub.
Die Preisspirale läuft bereits
Viele Hersteller hatten ihre Preise schon vor dem Zollschock angezogen – Rolex etwa mehrfach im laufenden Jahr, zuletzt im Mai um drei Prozent. Insider berichten zudem, dass Händler einen Teil ihrer Marge abgeben mussten.
Mit den neuen Zöllen steigen die Kosten noch einmal deutlich. Branchenexperte Oliver Müller schätzt, dass Endkunden in den USA künftig 12 bis 14 Prozent mehr zahlen müssen – allein wegen der Zollabgabe.
Nicht alle können das durchhalten
Die Großen – allen voran Rolex mit einem Marktanteil von rund 33 Prozent – werden den Aufpreis verkraften. Viele Modelle sind ohnehin Mangelware, Wartelisten sichern den Absatz.
Schwieriger wird es für kleinere Marken und Einstiegssegmente. Sie können Preissteigerungen nicht unbegrenzt weiterreichen. Müller warnt:
„Die Zulieferer werden als Erste unter Druck geraten. Entlassungen sind wahrscheinlich.“
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Boutiquenstrategie könnte zum Bumerang werden
Vor allem Marken, die in den USA stark in eigene Verkaufsflächen investiert haben, stehen nun mit dem Rücken zur Wand. Breitling etwa betreibt mehr als 40 Boutiquen in den Vereinigten Staaten.
CEO Georges Kern macht keinen Hehl daraus: „Der US-Markt ist unser wichtigster.“
Um die höheren Kosten abzufedern, sollen nun Preise weltweit steigen – auch in Dubai oder Shanghai. Doch wie lange lassen sich Kunden das gefallen?
Ein neuer Markt? Kaum zu finden
Die Hoffnung, dass Indien, Mexiko oder der Nahe Osten als Ersatz einspringen könnten, ist trügerisch. „Man müsste einen neuen Kontinent erfinden, um den US-Markt zu kompensieren“, sagt Müller trocken.
Der US-Kunde bleibt für viele Marken unverzichtbar – auch, weil er trotz Apple Watch und Smartphone nicht auf echte Uhrmacherkunst verzichten will.
Swiss Made unter Druck? Noch nicht
Der Stolz der Branche, das Gütesiegel „Swiss Made“, könnte in Zukunft weniger exklusiv sein – zumindest geografisch. Einige Hersteller, etwa H. Moser & Cie., prüfen bereits, ob die Montage in Deutschland sinnvoll sein könnte.
Nur wenige Hundert Meter vom Stammsitz entfernt wäre ein alternativer Produktionsort – steuerlich interessant, aber kulturell heikel. Noch beteuern die meisten: Die Schweiz bleibt das Zentrum. Doch das war vor dem Zollbeschluss auch beim US-Markt Konsens.
Widerstandsfähig, aber nicht unverwundbar
Die Schweizer Uhrenindustrie hat überlebt: die Quarzkrise, die Weltwirtschaftskrise, die Pandemie, den Smartwatch-Boom. Und doch ist die aktuelle Situation brisanter als sie auf den ersten Blick scheint.
Denn diesmal trifft es den stärksten Markt – nicht den schwächsten. Und diesmal geht es nicht nur um Technik oder Mode, sondern um geopolitische Machtspiele.
Was, wenn Trump wiedergewählt wird?
Viele in der Branche hoffen noch auf Diplomatie, auf Einsicht, auf Nachverhandlungen. Breitling-Chef Kern gibt sich optimistisch. Doch die Uhr tickt – nicht nur im übertragenen Sinn.
Die Lager sind endlich, die Kunden sensibel, die Preise hoch. Und ein zweiter Trump-Wahlkampf steht bevor. Was heute als vorübergehendes Ärgernis erscheint, könnte schnell zur strukturellen Bedrohung werden.
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