Zollhammer mit Ansage
Die Marke ist Kult. Gelbe Nähte, robustes Leder, rebellisches Image – Dr. Martens hat sich längst über Subkulturen hinaus einen festen Platz in Mode und Alltag erobert.

Doch während Fans weltweit die berühmten Boots tragen, kämpfen die Briten im Hintergrund mit harten wirtschaftlichen Realitäten. Besonders in den USA droht nun ein einschneidender Rückschlag: Ein 46-prozentiger Strafzoll, der ab Juli gelten soll – eine direkte Folge der protektionistischen Handelspolitik aus Washington.
Die Zölle treffen die Briten dort, wo es richtig wehtut: im ohnehin schwächelnden US-Geschäft. Denn rund ein Drittel des Umsatzes erzielt das Unternehmen in Nordamerika.
Die meisten Produkte stammen aus Vietnam – einem der Hauptverlierer der neuen Zollrunde. Wenn Dr. Martens seine Marge halten will, muss es handeln. Doch die Antwort fällt typisch britisch aus: „Keep calm and cut costs“.
Sparen, um den Preis zu halten
Statt die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben, will Dr. Martens an internen Stellschrauben drehen: günstigere Verpackung, effizientere Logistik, schärferes Kostenmanagement.
Das Ziel: Die Preise in den USA sollen trotz Zölle stabil bleiben. Eine Strategie, die kurzfristig sinnvoll erscheinen mag – langfristig aber gefährlich sein könnte.
Denn eines ist klar: Wer an zu vielen Enden spart, riskiert die Substanz. Gerade bei einem Produkt, das so stark über Qualität und Image funktioniert wie der klassische 1460-Stiefel.
Werden Produktion oder Materialien irgendwann so stark gedrückt, dass der Kunde es merkt – dann steht mehr auf dem Spiel als nur die Marge: Dann steht der Markenkern selbst auf der Kippe.
Ergebnisse unter Druck – aber besser als gedacht
Finanziell ist Dr. Martens ohnehin in rauer See unterwegs. Im abgelaufenen Geschäftsjahr fiel der Umsatz auf 787 Millionen Pfund – nach 804 Millionen im Vorjahr.
Noch deutlicher sank der bereinigte Vorsteuergewinn: 34,1 Millionen Pfund, ein Minus von rund 15 Prozent. Dennoch: Die Zahlen lagen über den Erwartungen der Analysten, die im Schnitt nur mit 30,6 Millionen Pfund gerechnet hatten.
Das zeigt: Die Marke hat immer noch Zugkraft. Aber sie wird zunehmend vom internationalen Wettbewerb und politischen Risiken in die Zange genommen. Vor allem im wichtigen US-Markt, wo einst Grunge, Punk und Mainstream gleichermaßen auf Docs setzten, beginnt das Fundament zu bröckeln.
Eine Branche unter Druck
Dr. Martens ist kein Einzelfall. Die jüngsten Zollschritte der USA zielen direkt auf asiatische Produktion – und treffen damit große Teile der globalisierten Modeindustrie. Während Luxusmarken durch ihre Margen oft abfedern können, kämpfen mittelpreisige Anbieter mit dem Spagat zwischen Preis und Qualität.
Dass die Zölle im Fall von Dr. Martens explizit auf Vietnam-Produkte zielen, zeigt auch: Die Verlagerung von Produktionsketten nach dem US-China-Handelskrieg verschafft Unternehmen nur vorübergehend Sicherheit. Protektionismus ist längst nicht mehr regional – sondern strategisch global.
Strategiewechsel nötig?
Für Dr. Martens stellt sich nun eine zentrale Frage: Reicht ein reines Sparprogramm aus – oder braucht es nicht doch einen grundlegend neuen Ansatz? Denkbar wären etwa alternative Produktionsstandorte außerhalb Asiens, ein stärkerer Fokus auf Direktvertrieb, oder auch eine klügere Marktsegmentierung in den USA, um mit gezielteren Preisen auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse zu reagieren.
Denn eines zeigt sich in diesen Wochen besonders deutlich: Marken, die auf einem Erbe ruhen, dürfen nicht zu lange zögern. Sonst droht aus der Legende eine weitere Insolvenzgeschichte zu werden.
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