Ein schmerzhafter Schnitt für die Bilanz – und für Hella
Kaum im Amt, setzt Forvia-Chef Martin Fischer auf klare Kante: Fokus auf Kernbereiche, Einschnitte bei Kosten – und potenziell ein Abschied vom rentabelsten Geschäftsbereich der deutschen Tochter Hella.
Die Lifecycle Solutions, zuständig für Ersatzteile und Spezialfahrzeugkomponenten, könnten bald zum Verkauf stehen. Offiziell gibt es keinen Beschluss. Intern allerdings wird längst geprüft, wie sich die Sparte möglichst gewinnbringend abspalten ließe.
Was wie ein nüchterner Portfoliowechsel aussieht, könnte für Hella tiefgreifende Folgen haben: Das Geschäft ist mit einer operativen Marge von 9,6 % die stabilste Säule im Konzern. Kein anderer Bereich verdiente zuletzt so konstant – gerade in Zeiten, in denen das klassische OEM-Geschäft wankt.
Schuldenlast diktiert den Kurs
Die Hintergründe sind kein Geheimnis. 6,6 Milliarden Euro Schulden lasten auf dem Konzern. Der Kauf von Hella durch Faurecia – nun firmierend unter Forvia – war teuer.
Zu teuer, wie Kritiker meinen. Die Integration verlief alles andere als geräuschlos. Statt Synergieeffekten und Wachstum gibt es nun Spardruck und Verkaufspläne.
Bereits unter Vorgänger Patrick Koller wurden Standorte geschlossen und Randbereiche abgestoßen. Fischer soll diesen Kurs nun weiterführen – und beschleunigen.
Das Ziel: Der Verschuldungsgrad soll bis Ende 2026 auf maximal 1,8 sinken, nachdem er Ende 2024 noch bei fast dem Doppelten lag.
Dazu braucht Forvia frisches Geld. Und das lässt sich – so scheint es – leichter durch den Verkauf von Filetstücken beschaffen als durch langwierige operative Erfolge.

Stabile Gewinne, falsches Geschäft?
Die Lifecycle Solutions beschäftigen rund 4.000 Mitarbeiter und sind längst nicht der größte Teil von Hella. Doch ihr Geschäft ist verlässlich – Werkstätten brauchen Ersatzteile, Spezialfahrzeuge erfordern robuste Komponenten. In einer Branche, die unter Preisdruck, E-Mobilitätsflaute und geopolitischen Risiken leidet, ist das Gold wert.
Dass ausgerechnet dieser Bereich als „nicht kernrelevant“ gilt, wirft Fragen auf. Sitze, Innenausstattungen oder Elektronik – all das gehört laut Forvia zum Kerngeschäft.
Aber nicht die Servicesparte, die vergleichsweise stabile Margen liefert. Ein Widerspruch, der vor allem aus finanzieller Notlage erklärbar ist – nicht aus strategischem Weitblick.
Frankreich versus Deutschland – ein altes Spannungsfeld
Hella ist für viele in Deutschland mehr als nur ein Unternehmen. Es ist ein Industrieflaggschiff mit über 100 Jahren Geschichte, stark verwurzelt in Ostwestfalen. Die Übernahme durch die französische Faurecia war 2022 ein Einschnitt – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell.
Spannungen zwischen der deutschen Tochter und der französischen Mutter gibt es seit Beginn. Mal ging es um Markenfragen – etwa, ob Hella-Logos von Fabriken entfernt werden. Mal um Geld: So musste Hella 2022 eine Sonderdividende zahlen, nachdem es seinen HBPO-Anteil verkauft hatte – zum Vorteil von Forvia.
Jetzt steht erneut ein Streitpunkt im Raum: Geht der Kurs der Sanierung zulasten der deutschen Interessen? Bei der Hauptversammlung am Freitag in Rheda-Wiedenbrück dürften genau diese Fragen auf den Tisch kommen.
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Elliott sitzt mit am Tisch
Ein weiterer Faktor: Der US-Investor Elliott hält noch rund 16 % an Hella – und dürfte kaum begeistert sein, wenn renditestarke Geschäftsbereiche ausgegliedert oder unter Wert verkauft werden.
Ohne Elliotts Zustimmung ist ein Beherrschungsvertrag mit Forvia nicht möglich. Das macht die Beziehung kompliziert – und sorgt für wachsende Nervosität im Umfeld.
Denn: Während die Hella-Aktie seit der Übernahme um über 40 % gestiegen ist, verlor das Forvia-Papier fast 80 % an Wert. Heute ist Elliotts Anteil an Hella fast genauso viel wert wie der gesamte Forvia-Konzern. Wer hier wem noch nutzt, ist längst nicht mehr eindeutig.
Zerlegen, um zu überleben?
Forvia ist nicht allein mit dem Kurs. Auch andere Zulieferer wie ZF Friedrichshafen stellen rentable Bereiche zum Verkauf. Die Branche steht unter Druck. Materialkosten, Transformation zur Elektromobilität, globale Überkapazitäten – und jetzt auch noch protektionistische Tendenzen aus den USA. Es ist eine Konsolidierungsphase mit offenem Ausgang.
Doch die Frage bleibt: Wenn sogar profitable Bereiche zur Disposition stehen – was bleibt dann eigentlich übrig? Und wer trägt am Ende die Kosten dieser radikalen Bilanzkosmetik?
Der Ausblick: Mehr Risiko als Plan
Für Martin Fischer, der als früherer Hella-Manager gut vernetzt ist, steht viel auf dem Spiel. Sein Kurs muss nicht nur bei Analysten funktionieren, sondern auch in der Belegschaft – und in der Industriepolitik. Denn jeder Abbau, jede Ausgliederung hat nicht nur betriebswirtschaftliche Folgen, sondern auch politische.
In Lippstadt, dem Hauptsitz von Hella, wird man genau hinsehen, wie ernst es Forvia mit der Eigenständigkeit der Tochter meint. Der Vertrauensvorschuss ist begrenzt. Und wenn ein profitabler Geschäftsbereich geopfert wird, um kurzfristig Bilanzen zu glätten, dürfte der Imageschaden größer sein als der Ertrag.
Fischer spricht von einer starken Organisation, die hinter ihm stehe. Das mag stimmen. Aber auch starke Organisationen brechen irgendwann, wenn sie Stück für Stück auseinandergebaut werden.
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