Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Tribunal Superior de Justicia in Valencia hat Klartext gesprochen: Der deutsche Luxusmakler Engel & Völkers soll 6,3 Millionen Euro an die spanische Sozialversicherung nachzahlen – wegen illegaler Beschäftigung angeblich selbstständiger Makler.
Die Richter erkannten, dass die Immobilienberater in Wahrheit abhängig beschäftigt gewesen seien, obwohl sie formal als Selbstständige geführt wurden. Damit habe das Unternehmen systematisch Sozialabgaben umgangen.
Engel & Völkers bestreitet die Vorwürfe und hat Revision eingelegt. Doch die Debatte ist längst größer als ein Einzelfall in Valencia.
Ein Geschäftsmodell auf dem Prüfstand
Denn was sich in Spanien entlädt, ist ein strukturelles Problem im Franchise-System des Konzerns. Über Jahre setzte Engel & Völkers auf sogenannte „selbstständige Immobilienberater“, die zwar keinen Arbeitsvertrag, aber dafür einen zugewiesenen Kundenbereich, vorgeschriebene IT-Systeme, Teamleiter und Schulungspflichten erhielten.
Das Urteil in Spanien beschreibt diese Praxis als Scheinselbstständigkeit – ein Vorwurf, der auch in Deutschland seit Jahren regelmäßig diskutiert wird, nun aber juristisch an Brisanz gewinnt.
Strategiewechsel mit Beigeschmack
Offiziell hat Engel & Völkers bereits 2024 die Notbremse gezogen und seine Makler in Spanien in Festanstellung übernommen – „aus strategischen Gründen“, wie es aus der Hamburger Zentrale heißt.

Der zeitliche Zusammenhang mit der Untersuchung durch die spanische Arbeitsinspektion lässt jedoch Zweifel an der Freiwilligkeit des Kurswechsels. In der Außendarstellung bemüht sich das Unternehmen darum, das Urteil aus Valencia als isolierten Fall zu deklarieren – doch das gelingt nur bedingt.
Behördeninteresse auch in Deutschland
Während CEO Jawed Barna die Marke international stabilisieren will, interessiert sich auch in Deutschland der Staat zunehmend für das Modell Engel & Völkers.
Seit Anfang 2024 ermittelt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Bielefeld gegen einen Lizenznehmer wegen des Verdachts auf Sozialbetrug. Auch in Braunschweig kam es im Juni zu einer Durchsuchung, diesmal bei einer Tochtergesellschaft, die direkt dem Konzern zuzurechnen ist.
Engel & Völkers betont, dass sich die Ermittlungen nicht gegen die Holding richteten – ein juristischer, aber kein kommunikativer Befreiungsschlag.
Luxusvillen, Polo, Pleiten
Parallel zum juristischen Druck mehren sich auch wirtschaftliche Schieflagen im Umfeld des Konzerns. Die EV Work Edition GmbH, ein Lizenznehmer für Co-Working-Spaces, meldete Insolvenz an. Auch die Engel & Völkers Venture Management AG ist zahlungsunfähig.
Beide Unternehmen residierten offiziell unter der Konzernanschrift in der Hamburger Hafencity. Engel & Völkers hält Minderheitsbeteiligungen, distanziert sich jedoch von der Verantwortung. Man verweist auf das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin als gescheiterten Partner – eine Aussage, die das Versorgungswerk zurückweist.
Ein Konzern zwischen Anspruch und Realität
Während der Gründer Christian Völkers auf seinem mallorquinischen Anwesen weiterhin Prominenz zum Poloturnier lädt, kämpft das von ihm geschaffene Unternehmen mit seinem öffentlichen Image.
Der jetzige CEO Jawed Barna – vormals Manager bei der Zurich Versicherung – soll das Unternehmen modernisieren und professionalisieren. Doch er übernimmt eine Baustelle mit Altlasten: unklare Verantwortungsstrukturen, ein fragiles Franchisesystem, rechtliche Risiken – und eine zunehmend kritische Öffentlichkeit.
Mehr als nur ein spanisches Problem
Was in Valencia begonnen hat, könnte in Europa Schule machen. Denn das Prinzip, Vermittler mit hohem Arbeitsdruck, geringer Absicherung und formalem Unternehmertum auf Provisionsbasis einzusetzen, ist nicht nur bei Engel & Völkers verbreitet – sondern in vielen Teilen der Makler- und Plattformwirtschaft gängige Praxis. Das Urteil in Spanien liefert nun eine Blaupause für mögliche weitere Verfahren.
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