Einmal HR umarmt, bitte diskret – doch Millionen schauten zu
Was als unbeschwerter Abend beim Coldplay-Konzert in Boston begann, wurde für Andy Byron zur PR-Katastrophe mit Rücktrittsgarantie.
Der CEO des Datenanalyse-Unternehmens Astronomer geriet unfreiwillig ins Zentrum einer öffentlichen Debatte, als er in einem viralen TikTok-Clip auf der Stadion-Kisscam mit einer Kollegin zu sehen war – ausgerechnet mit der eigenen Personalchefin Kristin Cabot.
Erst ein Lächeln, dann eine Umarmung – und schließlich die Flucht vor der Kamera. Doch das Internet vergisst nicht.
Binnen 48 Stunden hatte das Video fast neun Millionen Views, Marken wie Netflix und Tesla sprangen auf den viralen Zug auf. Während Nutzer weltweit scherzten, ob hier Liebe oder Compliance verletzt wurde, zog Astronomer die Notbremse.
Byron wurde zunächst beurlaubt, dann folgte der Rücktritt. Die Vorstandsetage kommunizierte am Samstag nüchtern:
„Andy Byron hat seinen Rücktritt eingereicht, den der Vorstand akzeptiert hat.“
Die interne Untersuchung laufe weiter.
Wenn TikTok den Ton angibt – Die Macht der viralen Skandale
Es ist nicht das erste Mal, dass ein CEO durch ein privates – oder besser: öffentlich gewordenes – Verhalten stolpert. Doch der Fall Byron ist in seiner Dynamik exemplarisch für die neue Wirklichkeit in der Unternehmensführung: Privates Verhalten wird zum Prüfstein unternehmerischer Integrität.
Und das in Echtzeit. Die Kisscam-Szene wurde tausendfach kommentiert, parodiert, zerschnitten. Das Video ist längst Meme-Material. Währenddessen blieb Byron selbst – ironischerweise für einen CEO eines Datenunternehmens – weitgehend offline.

Was das Video für viele so brisant macht, ist nicht nur die Szene an sich, sondern die Person an Byrons Seite: Kristin Cabot, Head of HR. Damit rücken Fragen ins Zentrum, die in US-Firmenkontexten hochsensibel sind: Verhältnis zwischen CEO und Personalverantwortlicher, mögliche Machtasymmetrien, Verletzungen von Verhaltenskodexen – und nicht zuletzt: das Signal an Mitarbeitende.
Die Firma im Krisenmodus – und in der Meme-Ökonomie
Astronomer, bislang vor allem Fachleuten als Anbieter für DataOps-Infrastruktur ein Begriff, geriet plötzlich in die Schlagzeilen einer ganz anderen Kategorie. Das Unternehmen versuchte die Eskalation mit einem ungewöhnlichen Statement zu entschärfen:
„Während sich die öffentliche Wahrnehmung unseres Unternehmens über Nacht verändert haben mag, bleiben unser Produkt und unser Engagement für unsere Kunden unverändert.“
Ein bemerkenswerter Satz, der zwischen Verteidigung und Ablenkung pendelt. Interne Quellen berichten jedoch laut Business Insider, dass es innerhalb der Firma bereits vor dem Vorfall Unmut über den Führungsstil Byrons gegeben habe. Die Kisscam-Affäre sei „nur der Auslöser gewesen“, wie ein nicht namentlich genannter Mitarbeiter sagte.
Vertrauen ist schwerer zu reparieren als ein Produkt
Pete DeJoy, Mitgründer und Chief Product Officer, übernimmt vorerst das Steuer. Doch die wichtigste Baustelle ist nicht technischer Natur – sie liegt im Reputationsmanagement.
Der Vorfall zeigt, wie verletzlich Unternehmensmarken in der heutigen Medienrealität sind. Wer als Chef auf der Bühne steht – ob auf Konferenzen oder auf Konzerten – steht immer im Scheinwerferlicht.
Führungspersönlichkeiten, die ihre Privatsphäre überschätzen, unterschätzen oft die Dynamik des digitalen Zeitalters. Eine Umarmung in der falschen Sekunde reicht, um eine Karriere zu beenden – und das Vertrauen einer Firma zu erschüttern.
Das könnte Sie auch interessieren:
