04. Mai, 2025

Reichtum

Warum Investmentbanker Patagonia-Westen tragen

Einst Symbol für Umweltschutz und Outdoor-Abenteuer, heute Uniform der Wall Street: Patagonia-Westen sind aus dem Finanzviertel nicht mehr wegzudenken. Praktisch? Ja. Ironisch? Auf jeden Fall. Doch der Kult offenbart mehr über die Branche als jede Bilanz.

Warum Investmentbanker Patagonia-Westen tragen
Uniform der Upper Class: Patagonia-Westen gelten in Manhattan längst als inoffizielle Dienstkleidung – obwohl der Hersteller eigentlich für Umweltschutz und Systemkritik steht.

Vom Bergpfad ins Büro – die paradoxe Erfolgsgeschichte einer Weste

Mitten in Midtown Manhattan, zwischen Wolkenkratzern und Bloomberg-Terminals, trägt der durchschnittliche Banker kein Sakko mehr, sondern Fleece. Genauer gesagt: eine „Better Sweater Vest“ von Patagonia oder die isolierte „Nano Puff“.

Es sind Modelle, die eigentlich für den Trail oder das Hochplateau konzipiert wurden – heute aber zur inoffiziellen Uniform der Finanzwelt zählen.

Wie kam es dazu, dass ein Kleidungsstück, das ursprünglich für Kletterer in Patagonien gedacht war, zum Statussymbol unter Dealmakern wurde?

Klima im Büro, nicht in der Arktis

Die einfachste Erklärung: Klimatisierte Großraumbüros. Sakko zu warm, Hemd zu kalt – die Weste trifft die Mitte. Sie erlaubt Bewegungsfreiheit, sieht nicht ganz so verwegen aus wie ein Hoodie und bietet Platz für Visitenkarten, AirPods und Firmenhandy. Ein Alltags-Panzer für den Analystenalltag.

Dass es dabei ausgerechnet Patagonia sein musste, ist dabei kein Zufall – sondern ein Resultat von Mode, Funktionalität und Ironie.

Denn die Marke, die sich Umweltschutz auf die Fahnen schreibt, wurde gerade deshalb zur Ikone, weil sie mit Logos bestickt werden konnte – und weil der Träger glaubt, damit irgendwie bodenständig zu wirken. Outdoorästhetik ohne das Risiko, wirklich rauszumüssen.

Die Finanzkrise als Dresscode-Katalysator

Der wahre Siegeszug begann nach der Finanzkrise 2008. Mit dem Ruf der Banken verschwand auch der Zwang zur Krawatte. Unternehmen wie BlackRock, JPMorgan oder Bain wollten ihre Leute nahbarer wirken lassen.

Der steife Banker sollte durchlässiger, agiler, moderner erscheinen – und was passte besser zu diesem Image als ein Kleidungsstück, das suggeriert: „Ich bin eigentlich ein Outdoor-Typ“?

Westen wurden zum Firmen-Goodie. Praktisch, unproblematisch für die Compliance und deutlich weniger verdächtig als Champagner-Events. Die Bank verschenkte keine Boni mehr – sondern Wärme.

Corporate Branding trifft Klimawandel

Patagonia selbst hat das Spiel anfangs mitgespielt – und dann bereut. Als die Marke 2019 erklärte, künftig nur noch nachhaltig agierende Unternehmen mit Logos zu beliefern, war der Unmut in Manhattan spürbar.

Doch 2025 sind Logos wieder erlaubt – zumindest für „like-minded companies“. Ein weicher Rückzieher in Form von Nachhaltigkeit auf Widerruf.

Das passt zu einer Branche, die sich gerne mit ESG schmückt, aber in ihren Fonds immer noch fossile Energien und Rüstungshersteller hält. Die Weste ist dabei mehr als Accessoire: Sie ist PR in Stoffform. Ein Marketing-Tool, das Seriosität signalisiert, ohne Autorität auszustrahlen.

Ironie ohne Erkenntnis

Es ist eine beispiellose Umdeutung: Die Patagonia-Weste als Symbol für Anpassung statt Aufbruch. Sie ist das modische Pendant zur PowerPoint-Folie mit „Impact Goals“ – beliebig, wiederverwendbar, nicht verpflichtend.

Der Träger trägt nicht Naturverbundenheit, sondern Konformität zur Schau. Und merkt es oft nicht einmal.

Dass ausgerechnet Hedgefonds-Manager mit Milliardenvermögen nun Produkte einer Firma tragen, die „Earth is our only shareholder“ propagiert, wirkt wie ein Treppenwitz. Doch es zeigt auch, wie flexibel Symbole heute sind – und wie bereitwillig die Finanzwelt Bedeutungen umetikettiert, wenn sie in den Dresscode passen.

Patagonia will raus – aber bleibt drin

Die Marke selbst windet sich. Keine Logos mehr, dann wieder Logos, aber nur auf Umwegen. Schlüsselbänder als Branding-Ersatz. Ein Unternehmen, das gegen Kapitalismus rebellieren will – und doch an seiner Nachfrage verdient. Patagonia ist nicht Opfer der Finanzwelt. Es ist ihr Lieferant.

Die Investmentbanker wiederum haben in der Weste ihren Sweet Spot gefunden. Sie ist unaufdringlich, funktional, teuer – aber nicht protzig. Und sie sagt genau das, was in einem unsicheren Marktumfeld am wichtigsten ist: „Ich bin flexibel. Ich passe mich an. Aber ich gehöre dazu.“

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