01. Oktober, 2025

Wirtschaft

Warum die deutsche Wirtschaft im Stillstand verharrt

Schwache Exporte, teure Soziallasten und ein brüchiges Geschäftsmodell: Die Konjunkturaussichten bleiben düster. Selbst milliardenschwere Staatsausgaben ändern daran wenig.

Warum die deutsche Wirtschaft im Stillstand verharrt
Industrie unter Druck: Der Einkaufsmanagerindex der Industrie fiel im September erneut unter 50 Punkte – ein klares Rezessionssignal.

Die deutschen Konjunkturforscher zeichnen ein Bild, das auf den ersten Blick ermutigend klingt: 0,2 Prozent Wachstum im laufenden Jahr, danach immerhin 1,3 bis 1,4 Prozent in den Folgejahren. Doch was nach Aufschwung aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Magerkost. Hinter der Fassade zeigt sich eine Wirtschaft, die ihr altes Geschäftsmodell verloren hat und für die Zukunft kaum neue Impulse findet.

Mehr Schein als Sein

Das jüngste Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsinstitute liest sich fast wie ein Befreiungsschlag. Acht Quartale hintereinander mit Wachstum – das wäre die längste Expansionsphase seit 2017. Doch das Handelsblatt Research Institute (HRI) widerspricht.

Ihr wöchentlicher Aktivitätsindex der Bundesbank weist für die vergangenen 13 Wochen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent aus. Von einer konjunkturellen Trendwende also keine Spur.

Die Stimmung in den Betrieben bestätigt den Befund. Der Einkaufsmanagerindex der Industrie fiel erneut unter die Wachstumsmarke, das Ifo-Geschäftsklima sackte im September spürbar ab. „Im Verarbeitenden Gewerbe bahnt sich Ungemach an“, warnt Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank.

US-Zölle treffen ins Mark

Besonders schmerzlich sind die Folgen der erratischen US-Handelspolitik. Neue Zölle haben deutsche Exporteure gezwungen, ihre Fertigung künstlich vorzuziehen – mit der Folge, dass im zweiten Halbjahr die Bänder stiller laufen. Der Exportüberschuss mit den USA brach von Januar bis Juli um mehr als 15 Prozent ein, auf den niedrigsten Stand seit 2021.

Wohlstand stagniert: Hochproduktive Industriearbeitsplätze verschwinden, neue Jobs entstehen vor allem im Dienstleistungssektor – mit deutlich geringerer Wertschöpfung.

Das trifft eine Industrie, die über Jahrzehnte von stabilen Absatzmärkten und offener Globalisierung profitierte. Nun ist ausgerechnet China – einst Konjunkturmotor – zum härtesten Wettbewerber geworden. Deutsche Unternehmen verlieren Marktanteile, während sich die Volkswirtschaft strukturell immer schwerer tut, neue Trümpfe auszuspielen.

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Staatsausgaben als Strohfeuer

Die Bundesregierung setzt auf Gegenmaßnahmen: neue Bauprogramme, Aufträge für die Rüstungsindustrie, steuerliche Entlastungen für Rentner, Pendler und Gastronomen. Doch das HRI sieht nur begrenzte Effekte. Zwar fließen Milliarden in die Binnenwirtschaft, doch ein erheblicher Teil der Rüstungsaufträge geht ins Ausland. Zugleich fressen steigende Sozialbeiträge die zusätzlichen Einkommen wieder auf.

Laut HRI bleibt für 2026 unter dem Strich nur ein mageres Plus von 0,7 Prozent. „Das Konjunkturprogramm verpufft teilweise in höheren Preisen und importierten Leistungen“, heißt es warnend.

Das Ende des alten Geschäftsmodells

Lange Zeit galt Deutschland als Exportweltmeister, gestützt von Chinas unersättlichem Hunger nach Maschinen, Autos und Chemieprodukten. Diese Phase ist vorbei. Eine aktuelle Bundesbank-Studie zeigt: Seit 2017 verlieren deutsche Exporteure kontinuierlich Marktanteile – seit 2021 sogar beschleunigt. Ohne diesen Rückgang wäre die Wirtschaftsleistung um fast 2,5 Prozentpunkte höher ausgefallen.

Das neue Problem: Der Außenhandel dämpft das Wachstum inzwischen stärker, als er es beflügelt. Preisbereinigt stagnieren die Exporte auf Vorkrisenniveau, während die Importe rund zehn Prozent über 2019 liegen.

Mehr Jobs – aber nicht die richtigen

Zwar ist angesichts des demografischen Wandels nicht mit Massenarbeitslosigkeit zu rechnen. Doch die Struktur der Beschäftigung verschiebt sich. Hochproduktive Industriearbeitsplätze verschwinden, einfache Dienstleistungsjobs wachsen. Das Wohlstandsniveau dürfte damit stagnieren – bestenfalls.

Hinzu kommen die Kosten der Schuldenpolitik: Am Ende der Legislaturperiode werden die Bürger mit rund 800 Euro Zinsen pro Jahr und Kopf belastet. Ein teures Versprechen, das zukünftige Spielräume einengt.

Die Hoffnung der Bundesregierung auf einen „Herbst der Reformen“ droht zu verpuffen. Statt eines Aufschwungs zeichnet sich ein Herbst der Enttäuschungen ab – mit schwachen Exporten, hohen Soziallasten und einer Industrie, die ihr altes Geschäftsmodell verloren hat. Wer in diesem Umfeld an ein deutsches Wirtschaftswunder glaubt, muss die Realität konsequent ausblenden.

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