01. August, 2025

Unternehmen

Warum der Rückversicherer trotz Rekordschäden zulegt

Brände in Kalifornien, Hagel über Europa, ein tödliches Erdbeben in Myanmar: Die erste Jahreshälfte war für die Versicherungsbranche eine der teuersten seit Jahrzehnten. Doch Munich Re bleibt stabil – und verdient mit der Krise.

Warum der Rückversicherer trotz Rekordschäden zulegt
Trotz 131 Mrd. US-Dollar Gesamtschäden weltweit legt die Munich-Re-Aktie zu – der Markt preist stabile Prämienmodelle und steigende Einnahmen aus Risikoabsicherung ein.

Naturgewalten als Dauerthema

Kaum ein anderes Unternehmen kennt den Preis der Klimakrise so genau wie Munich Re. Während Politiker noch um CO₂-Ziele ringen, rechnet der Rückversicherer längst in Milliarden: 131 Milliarden Dollar betrugen die Gesamtschäden durch Naturkatastrophen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres – inflationsbereinigt ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr, aber dennoch der zweithöchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1980.

Noch auffälliger: Der versicherte Teil stieg deutlich – von 64 auf 80 Milliarden Dollar. Damit lag er fast doppelt so hoch wie der langjährige Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (41 Milliarden).

Für die Rückversicherer heißt das: mehr Risiko, aber auch mehr Prämieneinnahmen. Munich Re scheint das einzupreisen – die Aktie notiert am Montagvormittag im Plus.

Kalifornien brennt – die Bilanz glüht mit

Besonders teuer war – wie so oft – Kalifornien. Die Waldbrände rund um Los Angeles allein verursachten versicherte Schäden von 40 Milliarden Dollar – mehr als jeder andere Einzelfall.

Die Bedingungen waren paradox: In den Wintermonaten, wo Regen für Entspannung sorgen sollte, blieb das Wetter trocken.

„Starke Winde sind in Kalifornien zur kalten Jahreszeit normal, aber die Waldbrandsaison wird durch den ausbleibenden Niederschlag immer länger“, analysiert Munich-Re-Klimachef Tobias Grimm.

Noch vor wenigen Jahren wären solche Summen unvorstellbar gewesen – inzwischen sind sie Realität. Und sie zeigen: Naturgefahren werden nicht nur häufiger, sondern auch kostspieliger.

Hagel in Mitteleuropa, Erdbeben in Myanmar

Europa kam im Vergleich glimpflich davon, wenngleich nicht ungeschoren. Eine Hagel- und Gewitterfront über Frankreich, Deutschland und Österreich verursachte rund 800 Millionen Dollar an Schäden.

Der spektakulärste Fall war der Bergsturz im Schweizer Blatten, bei dem ein ganzes Dorf verschüttet wurde – wirtschaftlicher Schaden: rund 400 Millionen Dollar.

Allein die Waldbrände in Kalifornien verursachten 40 Mrd. US-Dollar versicherte Schäden – so viel wie keine andere Einzelkatastrophe in der Geschichte der Rückversicherung.

Tragischer war das Geschehen in Myanmar. Dort starben bei einem Erdbeben im März über 4.500 Menschen. Die wirtschaftlichen Schäden lagen bei 12 Milliarden Dollar, doch nur ein Bruchteil davon war versichert – ein strukturelles Problem in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo Versicherungsdichte und Vorsorge gering bleiben.

In Australien wiederum verursachte ein tropischer Wirbelsturm mit Flutfolgen die teuerste Einzelkatastrophe der Region: 1,4 Milliarden Dollar an versicherten Schäden.

Risiko als Geschäftsmodell

Dass die Munich-Re-Aktie trotz solcher Zahlen zulegt, hat mehrere Gründe. Erstens: Der Markt hatte Schlimmeres erwartet. Zweitens: Höhere Schäden bedeuten in der Regel steigende Prämien. Und drittens: Munich Re hat in den vergangenen Jahren seine Rückstellungen und Modellrechnungen immer weiter angepasst – was heute mehr Robustheit bedeutet.

Die Branche profitiert also paradoxerweise davon, dass Katastrophen häufiger und teurer werden – zumindest so lange, wie sie nicht völlig unkalkulierbar werden. Ein Balanceakt, den Munich Re bislang souverän meistert.

Klimawandel bleibt das zentrale Risiko

Intern werden solche Entwicklungen längst nicht mehr als Ausreißer behandelt, sondern als Teil eines Trends. Die „secondary perils“ – also wetterbedingte Schäden jenseits der klassischen Erdbeben und Hurrikans – haben sich laut Munich Re in den letzten 20 Jahren vervielfacht. Und mit jeder Saison wächst der Druck, diese Risiken präziser zu bepreisen – oder aus sensiblen Märkten auszusteigen.

Fragen gibt es viele: Welche Rolle spielt der Klimawandel beim Timing und Ausmaß einzelner Katastrophen? Wie gut sind die mathematischen Modelle auf sich verändernde Realitäten vorbereitet? Und wann wird das Risiko für bestimmte Regionen schlicht nicht mehr versicherbar?

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