In der Debatte um die anstehende Legalisierung von Cannabis in Deutschland schlägt der Deutsche Richterbund Alarm: Durch die im Gesetz vorgesehene Amnestieregelung würde eine Welle von Aktenprüfungen auf die Justiz zukommen. Mehr als 100.000 Akten seien bundesweit betroffen, allein am Amtsgericht Köln gehe man von über 10.000 Fällen aus. Die Überprüfung dieser Fälle würde nach Einschätzung der betroffenen Richter eine Bearbeitungsdauer von einer Stunde pro Fall bedeuten, was bei der vorhandenen Kapazität auf ein Ganzjahresprojekt hinauslaufen könnte.
Die Reform sieht eine kontrollierte Legalisierung vor, welche unter anderem den Besitz und den Eigenanbau von Cannabis für Erwachsene ab April erlauben soll. Mit Inkrafttreten des Gesetzes sollen Verurteilungen für in Zukunft legale Fälle amnestiert werden – eine Aufgabe, die die Staatsanwaltschaften betrifft: Sie müssten alle bereits vorliegenden Strafakten in Hinblick auf die Einbindung von Cannabis manuell reevaluieren, um zu bestimmen, ob die damalige Handlung unter der neuen Gesetzeslage straffrei wäre.
Der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn, betonte die Komplexität dieses Vorhabens. Nicht nur müssen die relevanten Fälle identifiziert werden, auch die genaue Menge und Art der Substanz spielen für die juristische Neubewertung eine entscheidende Rolle – Informationen, die nicht selten aus den Registerauszügen ergänzt werden müssten.
Rebehn warnte zudem vor den Folgen für die Gerichte, sollten Verurteilte aufgrund verschiedener Delikte eine Gesamtstrafe erhalten haben. Es müsste festgestellt werden, welcher Anteil der Strafe auf Cannabis-Delikte entfällt, um diese entsprechend der neuen Gesetzeslage abändern zu können. Der Richterbund rät deswegen zu einer Überarbeitung des Gesetzes und plädiert für eine Streichung der Amnestie für noch nicht vollstreckte Altfälle, um eine unzumutbare Mehrbelastung für die Justiz zu verhindern.