Der Rückflug ist noch nicht gelandet, da meldet sich das Bauchgefühl
Viele kennen es: Der Urlaub war erholsam, die Sonne hat gutgetan – doch kaum ist das Handgepäck verstaut, kehrt das Unbehagen zurück. Der Gedanke an den Montagmorgen fühlt sich schwer an, das Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen.
Dabei ist das nicht ungewöhnlich, sagt Sabine Votteler, die seit Jahren Führungskräfte in Veränderungsprozessen begleitet. „Eine kurze Eingewöhnungsphase nach der Rückkehr ist völlig normal.“ Kritisch werde es aber, wenn das Gefühl bleibt – und zur neuen Normalität wird.
Fünf Fragen, die unbequem sind – und genau deshalb wichtig
Wer sich nur noch von Urlaub zu Urlaub hangelt, lebt in einer Dauerschleife, die auf Dauer krank machen kann. Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, rät Votteler dazu, sich im Urlaub bewusst Zeit für Reflexion zu nehmen.
Kein Coaching, keine Selbstoptimierung – sondern ehrliche Bestandsaufnahme. Fünf Fragen stehen dabei im Zentrum. Sie sind simpel, aber wirkungsvoll. Und sie lassen sich ideal im Urlaub stellen, wenn der Kopf frei ist und der Alltag leiser wird.
1. Ist meine Situation wirklich alternativlos?
Viele Menschen verharren jahrelang in ungeliebten Jobs – aus Angst. „Ab 50 findet man eh nichts mehr“, „Ich bin auf den Bonus angewiesen“, „In meiner Branche ist das überall so“ – diese Sätze hört Votteler regelmäßig.
Doch oft sei das eine selbstgebaute Gedankensperre. Wer über den Tellerrand blickt, merkt schnell: Andere haben den Schritt gewagt – und nicht bereut. Der Perspektivwechsel beginnt meist im Gespräch mit Menschen außerhalb der eigenen Blase. „Es geht nicht darum, sofort zu kündigen – aber um das Erkennen von Wahlmöglichkeiten.“

2. Was kostet es mich, so weiterzumachen wie bisher?
Statt nur die Risiken eines Jobwechsels durchzukalkulieren, sollte man sich fragen: Was passiert, wenn ich gar nichts ändere? Wer regelmäßig ausgelaugt ist, Termine absagt, gereizt reagiert, Beziehungen schleifen lässt – der zahlt längst einen Preis. Und zwar keinen geringen. Votteler bringt es auf den Punkt: „Der eigentliche Job dauert acht Stunden. Die Folgen spürt man rund um die Uhr.“
3. Wer oder was raubt mir Energie im Arbeitsalltag?
Nicht jeder Frust hat mit dem Beruf an sich zu tun. Manchmal liegt es am Umfeld, an einzelnen Aufgaben, an bestimmten Kollegen. Votteler rät: den Kalender der letzten Wochen durchgehen und markieren, was Kraft gab – und was sie entzog. Meetings, Projekte, E-Mails – oft lässt sich ein Muster erkennen. Und aus dem Muster ein Hebel ableiten. Schon kleine Anpassungen können viel bewirken.
4. Lässt sich in meinem Job noch etwas verändern – oder ist die Tür zu?
Bevor der große Cut kommt, lohnt sich ein kritischer Blick auf interne Spielräume. Manche Unzufriedenheit lässt sich mildern: durch veränderte Aufgaben, Arbeitszeitmodelle, weniger Reisetätigkeit oder ein neues Team. „Viele sind überrascht, wie viel möglich ist – wenn man den Mut hat, es anzusprechen“, sagt Votteler. Natürlich klappt das nicht überall. Aber oft liegt der Denkfehler im Vorfeld: zu schnell davon ausgegangen, dass sowieso alles festgefahren sei.
5. Welche alten Wünsche melden sich wieder?
Berufliche Krisen bringen oft tieferliegende Themen an die Oberfläche. Nicht selten taucht im Hintergrund ein alter Wunsch wieder auf – ein Beruf, ein Projekt, eine Idee, die einst verdrängt wurde. Vielleicht ist es der Traum vom eigenen Café, vom sozialen Engagement, vom Wechsel in einen anderen Bereich. Diese Impulse sollte man ernst nehmen. „Es geht nicht darum, sofort alles umzukrempeln“, sagt Votteler. „Aber darum, etwas zu testen.“ Ein Ehrenamt, ein Wochenendkurs, ein Gespräch mit jemandem, der diesen Weg gegangen ist – das reicht oft schon, um ein Gespür dafür zu bekommen, ob ein alter Wunsch auch in der Realität trägt.
Urlaub als Fenster zur Veränderung
Nicht jeder Jobfrust bedeutet, dass gleich alles falsch läuft. Aber wer ehrlich mit sich ist, erkennt meist, wie viel Luft nach oben wäre – und wie wenig es manchmal braucht, um wieder mehr Energie im Alltag zu spüren.
Urlaub ist der richtige Moment, um sich diesen Fragen zu stellen. Nicht zwischen E-Mails, Meetings und Kantinenlärm – sondern mit Abstand. Wer sich jetzt die richtigen Fragen stellt, kommt vielleicht nicht nur erholt, sondern auch sortierter zurück.
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