Von Krise keine Spur mehr
Nach einem Jahr voller Abschreibungen und Verlustmeldungen meldet sich Vonovia mit Nachdruck zurück – und das mit Zahlen, die der Branche inmitten von Zinswende und Baukrise kaum jemand zugetraut hätte: Im ersten Halbjahr 2025 sprang der bereinigte Vorsteuergewinn um satte 10,9 % auf knapp 985 Millionen Euro. Unterm Strich blieben 811 Millionen Euro Gewinn – eine scharfe Kehrtwende nach dem Vorjahresverlust.
Dabei kommt der Rückenwind nicht nur von steigenden Mieten – im Bestand legten die Mieterträge um 4,4 % zu – sondern vor allem von der Neubewertung des Portfolios.
Die Bilanzsumme der Vonovia-Immobilien stieg um 1,3 % auf einen Wert von nun 82,9 Milliarden Euro. Das Management wertet das als Beleg dafür, dass die Preis-Talsohle durchschritten sei.
Eine Branche atmet auf – vorerst
Für eine Branche, die bis vor Kurzem noch im Krisenmodus war, sind das bemerkenswerte Zahlen. Neubauprojekte werden kaum noch angestoßen, die Zinsen bleiben hoch, und viele kommunale Wohnungsunternehmen kämpfen mit horrenden Kosten.
Doch Vonovia profitiert von ihrer schieren Größe, einem gnadenlos durchoptimierten Bestand – und von einem Mietmarkt, der immer unerschwinglicher wird.
Dass der Konzern seine Prognose für das Gesamtjahr nun um rund 100 Millionen Euro erhöht und für 2025 einen bereinigten Vorsteuergewinn von bis zu 1,95 Milliarden Euro in Aussicht stellt, dürfte Investoren freuen. Schließlich hängt daran auch die Dividende. Aktionäre dürfen sich also auf klingelnde Kassen einstellen – Mieterinnen und Mieter hingegen weniger.
Gekommen, um zu bleiben?
„Die Talsohle ist durchschritten“, verkündete CEO Rolf Buch beim Halbjahresbericht, kurz bevor er das Unternehmen verlässt. Ein Satz, der Zuversicht versprüht, aber auch Fragen aufwirft: Ist der Aufschwung von Dauer – oder bloß ein kurzfristiges Strohfeuer, befeuert von buchhalterischen Neubewertungen und Mietsteigerungen?
Die gestiegenen Immobilienpreise resultieren weniger aus einem gesunden Marktumfeld als vielmehr aus Angebotsknappheit, einem wachsenden Mietdruck in Ballungsräumen und Investitionsstaus.
Während viele Bürger wegen steigender Lebenshaltungskosten und knapper Wohnungsangebote umziehen oder verzichten müssen, setzt Vonovia auf steigende Renditen. Und tut das aus Sicht des Kapitalmarkts auch erfolgreich.
Zahlen mit Schattenseiten
So sehr die aktuelle Lage dem Konzern nützt – sie ist Teil eines größeren Problems: Der deutsche Wohnungsmarkt wird zum Spielball von Finanzinteressen. Neubauten werden angesichts hoher Baukosten und regulatorischer Hürden kaum noch realisiert, stattdessen fließt das Kapital in Bestandsoptimierung und Mietanpassung.
Vonovia kann das, wie kaum ein anderer. Aber es bringt die soziale Frage zurück auf die Tagesordnung: Was passiert, wenn Wohnen zur Ware wird – und eine Krise zur Chance, die Gewinne zu maximieren?
Rolf Buchs Vermächtnis
Rolf Buch übergibt ein finanziell gestärktes Unternehmen – doch nicht ohne Kontroversen. Während unter seiner Führung der Konzern massiv wuchs, Tausende Wohnungen kaufte und die Marktstellung festigte, wurde er auch zur Zielscheibe der Kritik: Gentrifizierung, fehlende Investitionen in Modernisierung, intransparente Nebenkosten – all das blieb hängen.
Nun verlässt er das Unternehmen mit einem Triumph auf dem Papier. Die große Frage: Wird sein Nachfolger den Kurs fortsetzen – oder neu denken? Denn eins ist sicher: Die wirtschaftliche Erholung Vonovias mag beeindruckend sein. Doch sie erzählt nur die halbe Wahrheit.
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