Von der Goldgrube zum Sorgenkind
Es ist keine drei Jahre her, da machten Reedereien wie Hapag-Lloyd, MSC oder Maersk Schlagzeilen mit Milliardengewinnen. Der globale Frachtverkehr war durch Lieferkettenprobleme aus der Pandemie völlig aus dem Takt geraten, Containerpreise schossen auf ein Vielfaches des Vorkrisenniveaus, und wer Kapazitäten hatte, kassierte ab.
Doch der Boom war trügerisch – und vor allem temporär. Mit der Normalisierung der Lieferketten ab Mitte 2023, dem Abschwung im Welthandel und den wirtschaftlichen Verwerfungen infolge multipler geopolitischer Krisen (Ukraine, Nahost, China-Taiwan), kippte die Lage.
Heute stehen viele der ehemals goldgräberisch entlohnten Reedereien vor einem strukturellen Problem: zu viel Kapazität bei zu wenig Nachfrage.
Die Rückkehr des Preisverfalls
Die Frachtraten auf den großen Transportrouten – insbesondere Asien–Europa und Asien–Nordamerika – sind seit ihrem Höchststand Anfang 2022 um bis zu 80 % gefallen. Nach Angaben des Drewry World Container Index liegt der durchschnittliche Preis pro 40-Fuß-Container derzeit bei unter 2.500 US-Dollar – in der Spitze waren es über 10.000 Dollar.
Zwar hat die Umleitung vieler Schiffe rund um das Kap der Guten Hoffnung – als Reaktion auf Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer – zuletzt einen leichten Preisauftrieb gebracht.

Doch dieser Effekt ist volatil, teuer und kaum planbar. Die Branche kämpft im Tagesgeschäft vor allem mit sinkender Auslastung, steigenden Betriebskosten und einem wachsenden Druck durch regulatorische Anforderungen.
Überkapazitäten als hausgemachtes Problem
Im Glauben an ein dauerhaftes Wachstum haben viele Reedereien in der Boomphase neue Schiffe bestellt – riesige Containerriesen mit einer Kapazität von bis zu 24.000 TEU (Twenty-foot Equivalent Unit). Diese Schiffe laufen jetzt nach und nach vom Stapel – und treffen auf eine deutlich abgekühlte Nachfrage.
Die globale Containerflotte wächst aktuell doppelt so schnell wie das Welthandelsvolumen. Laut Daten des Analysehauses Alphaliner dürfte 2025 erstmals seit über einem Jahrzehnt ein Überangebot von über 1 Million TEU bestehen. Das drückt nicht nur die Frachtraten, sondern auch die Margen – zumal Treibstoffpreise, Hafengebühren und CO₂-Abgaben weiter steigen.
Konsolidierung statt Expansion?
Reedereien reagieren unterschiedlich auf die Krise. Marktführer MSC baut seinen Marktanteil weiter aggressiv aus – unter anderem durch den Rückzug aus der Allianz mit Maersk, um strategisch freier agieren zu können. Maersk hingegen fokussiert sich stärker auf integrierte Logistiklösungen, etwa durch Zukäufe im Speditions- und Lagerbereich.
Andere Reedereien wie Hapag-Lloyd setzen auf Kostendisziplin und versuchen, durch strategische Kooperationen ihre Netzwerke effizienter zu gestalten. Doch auch dort ist die Luft dünner geworden.

Trotz hoher Rücklagen aus der Boomphase – Hapag-Lloyd allein erwirtschaftete zwischen 2020 und 2022 über 30 Milliarden Euro Gewinn – lassen sich strukturelle Probleme nicht einfach aussitzen.
Nachhaltigkeit als nächstes Nadelöhr
Parallel zum Preiskampf rückt der Klimaschutz zunehmend in den Fokus. Die EU hat mit dem ETS (Emissions Trading System) den Seeverkehr in den CO₂-Zertifikatehandel aufgenommen, was zu spürbaren Zusatzkosten führt.
Außerdem drängt die International Maritime Organization (IMO) auf eine drastische Reduktion der CO₂-Emissionen bis 2050 – eine gewaltige Herausforderung in einer Branche, die nach wie vor stark auf Schweröl setzt.
Viele Reedereien investieren nun in alternative Antriebe: LNG, Methanol, Ammoniak – doch keine dieser Lösungen ist bislang serienreif, verfügbar oder wirtschaftlich konkurrenzfähig. Die Branche steht damit vor einer Transformation, die Kapital und Zeit braucht – beides Ressourcen, die im aktuellen Umfeld knapp werden könnten.
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