Gebühren, die jeder zahlt – aber niemand hinterfragt
In den USA läuft gerade ein Machtkampf, der auf den ersten Blick technisch klingt, aber tief in den Alltag von Millionen Menschen eingreift. Es geht um Kreditkartenzahlungen – genauer: um die Gebühren, die jedes Mal anfallen, wenn ein Kunde bezahlt.
Diese Gebühren heißen Interchange Fees. Zwei bis zweieinhalb Prozent pro Transaktion sind üblich. Für Konsumenten unsichtbar, aber für Händler ein erheblicher Kostenblock. Und weil Kreditkarten in den USA fast alles dominieren – vom Coffee-to-go bis zum Autokauf –, summiert sich das auf Milliardenbeträge.
Nun deutet sich eine historische Kehrtwende an. Visa und Mastercard sollen laut Wall Street Journal kurz vor einem Vergleich mit Händlern stehen. Nach 20 Jahren Rechtsstreit.
Machtverschiebung im Zahlungsverkehr
Der Kern des Deals:
Die Kreditkartenkonzerne würden ihre Gebühren über mehrere Jahre durchschnittlich um rund 0,1 Prozentpunkte senken – und Händler dürften bestimmte Karten künftig ablehnen.
Letzteres ist brisant. Bislang konnten Visa und Mastercard Händler vertraglich daran hindern, Kunden zu günstigeren Zahlungsmethoden zu lenken. Diese sogenannten Anti-Steering-Regeln sorgten dafür, dass Händler oft schlicht schlucken mussten, was Visa und Mastercard verlangten.
Mit der Einigung fällt genau diese Hürde. Händler sollen künftig:
- Karten mit besonders hohen Gebühren ablehnen dürfen,
- Kunden alternative Zahlungsmittel empfehlen können,
- eigene Aufschläge für teure Kartenmodelle definieren.
Das ist ein Angriff auf ein Geschäftsmodell, das jahrzehntelang unangetastet war.
Der wirtschaftliche Hebel: Milliarden
Ein Zehntelprozentpunkt klingt unspektakulär. Doch bei Transaktionsvolumina von mehreren Billionen US-Dollar pro Jahr wird daraus ein signifikanter Betrag. Analysten gehen davon aus, dass Händler durch die neuen Möglichkeiten dauerhaft Milliarden sparen könnten – und das vor allem im margenarmen Einzelhandel.
Die Frage, die sich jetzt stellt:
Wird der Handel diese Kostenersparnis an Kunden weitergeben?
In Europa hat die Deckelung der Interchange Fees durch die EU dazu geführt, dass manche Kreditkartenmodelle verschwanden oder Reiseboni gestrichen wurden. Händler profitierten, Verbraucher spürten wenig.
Dasselbe Szenario droht nun in den USA.

Warum Visa und Mastercard nachgeben
Der Vergleich soll einen Rechtsstreit beenden, der seit 2005 läuft. Händler warfen den Konzernen überhöhte Gebühren und wettbewerbsbeschränkende Verträge vor. Letztes Jahr hatten sich Visa und Mastercard bereits auf einen Geldvergleich in Höhe von rund 30 Milliarden Dollar verständigt.
Jetzt geht es nicht mehr nur um Geld – sondern um Regeln.
Auffällig ist, dass die Kreditkartenkonzerne öffentlich schweigen. Keine Stellungnahme, keine Details. Das Schweigen zeigt, wie heikel der Deal ist. Für Visa und Mastercard geht es nicht um eine einmalige Zahlung, sondern um ihre Preissetzungsmacht.
Wenn Händler künftig aktiv auf günstigere Zahlungsmethoden verweisen dürfen, verliert das Geschäftsmodell an Schutz.
Was Anleger wissen sollten
Für Investoren ist der Fall nicht trivial:
- Gebührensenkungen verringern sofortige Einnahmen,
- Wegfall von Anti-Steering-Regeln schwächt die Marktposition,
- Händler könnten verstärkt alternative Zahlungswege pushen.
Der strukturelle Trend zu Debitkarten, Echtzeitüberweisungen und Wallet-Lösungen wie Apple Pay könnte sich dadurch beschleunigen.
Wenn Händler weniger zahlen müssen, werden sie genau das forcieren.
Das Ende einer Ära?
Die Kreditkarte ist das Symbol amerikanischer Konsumkultur. Sie steht für Bequemlichkeit – aber auch für Gebühren, die Händler oft zähneknirschend akzeptierten. Seit fast zwei Jahrzehnten wehren sich Händler gegen diese Kostenstruktur. Jetzt bekommen sie zum ersten Mal echte Hebel.
Die spannendste Frage dabei lautet nicht: Wie viel günstiger wird es?


